EndverbraucherInnen und MICE-PlanerInnen mit gültigen Tickets der russischen Airline Aeroflot haben kaum mehr Chancen, die Kosten dafür erstattet zu bekommen. Davon sind die ExpertInnen des Fluggastrechteportals Flightright überzeugt.
Betroffen sind sowohl Tickets, die aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht genutzt werden konnten, als auch für Corona-bedingte Flugausfälle. Für Letzteres hatte Aeroflot bis dato die Tickets verlängert. Diese Frist läuft für viele Tickets jetzt aber aus. In E-Mails empfiehlt die Airline die Rückerstattung über ein russisches Konto. Und genau das ist das Problem.
Die Zahl der betroffenen Tickets ist unbekannt. Allein bei Flightright gebe es jedoch „viele Kunden, die noch auf Entschädigungen oder Rückzahlungen von Aeroflot warten“, berichtet Oskar de Felice, Chief Legal Officer des Portals für Fluggastrechte. Die Chancen, von Aeroflot Geld zu sehen, stünden allerdings „sehr schlecht“.
Zwar gilt weiterhin der Grundsatz, dass bestehende Entschädigungs- oder Rückzahlungspflichten bestehen. Das Problem sei aber, dass der Zahlungsverkehr massiv gestört sei „und Aeroflot als in mehrheitlich staatlicher Hand liegendes Unternehmen auch kein Interesse haben dürfte, Zahlungen über Umwege zu leisten“, so Oskar de Felice. Man sehe in der aktuellen Situation „keine Chance, dass Aeroflot freiwillig zahlen wird“.
Theoretisch würde man in einem solchen Fall einen vollstreckbaren Titel erwirken. Da Aeroflot jedoch aufgrund der Sanktionen alle beweglichen Vermögensgegenstände wie etwa Flugzeuge aus der EU herausgeholt hat und die noch übrigen Gegenstände beschlagnahmt wurden, könne keine Vollstreckung in Europa vorgenommen werden.
Zudem stünden dem Erwirken eines Titels vor einem deutschen Gericht gegen Aeroflot weitere Hürden entgegen. Da Aeroflot keinerlei Sitz oder Empfangsvertreter mehr in Deutschland habe, müssten sämtliche Dokumente, die vor Gericht ausgetauscht werden, nicht nur auf Russisch übersetzt, sondern auch in Russland zugestellt werden.
„Gerade die Zustellung der Klage oder anderen Schriftsätzen erweist sich aufgrund der aktuell kritischen Lage als äußerst problematisch. Daher ist es bereits schwierig, überhaupt ein positives Urteil und damit einen Titel gegen Aeroflot zu erwirken“, erläutert der Experte für Fluggastrechte. Auf lange Sicht könnten die EU-Regierungen aus Sicht von Flightright beschlagnahmte Vermögenswerte dazu nutzen, um SchuldnerInnen von Aeroflot ihre Forderungen zu begleichen. „Wenn überhaupt“ könne man dann jedoch nur eine insolvenzgleiche Quote von „ein paar Prozent der Forderung erwarten“.
Auch kann man § 206 BGB heranziehen. Dieser Paragraph besagt, dass die Verjährung einer Forderung gehemmt ist, solange GläubigerInnen innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert sind. Das ist aktuell natürlich der Fall.
Aber: „Ob und wann die Sanktionen wieder ausgesetzt werden und ob Aeroflot danach überhaupt noch in der jetzigen Form existiert, ist sehr unklar“, merkt Oskar de Felice an. Insofern müsse man sich eingestehen, „dass man faktisch nicht an sein Geld von Aeroflot kommen wird“. Vor der russischen Invasion in die Ukraine war Aeroflot Teil der Luftfahrtallianz Skyteam. Im April 2022 wurde die Airline von der Mitgliedschaft suspendiert.