„Der Zenit ist noch nicht erreicht“

Dienstag, 24.09.2019

Florian Krug, stellvertretender Leiter Veranstaltungsmanagement der Universität Wien, über das Problemfeld Fake-Konferenzen, den Umgang damit und die Herausforderungen für die Branche.

CIM: Was sind „Fake-Konferenzen“?
Florian Krug: Bei wissenschaftlichen Tagungen werden sie als „Fake-“, „Scam-“, „Predatory-“ oder „Junk-“Kongresse bezeichnet, zwei Typen können unterschieden werden. Erstens: gefälschte Events. Ein Straftatbestand, da Teilnahmegebühren erhoben werden, aber das Event vorsätzlich nicht stattfindet, also keine Leistung erbracht wird. Der Veranstalter ist meist nicht auffindbar.

Die häufigere Variante: Veranstaltungen, die seriös erscheinen, aber grundlegenden Leistungen nicht ansatzweise erfüllen. Kongresswebseite, Beschreibung und Anmeldeprozedere wirken typischerweise professionell und glaubhaft. Oft sind diese Konferenzen schlecht organisiert, teuer und die wissenschaftliche Qualität ist mehr als überschaubar. Leidtragende sind also zuerst geprellte Teilnehmer, oftmals unerfahrene Jungwissenschaftler oder Studierende, bei denen das Geld eher knapp ist. Aus Sicht der Universität, dem Veranstaltungsort, ist es primär ein enormer Imageschaden.

Was tun Sie, um diesen Imageschaden abzuwenden?
Wir müssen sauber differenzieren zwischen Anfragen, die potenziell der Reputation schaden könnten und solchen, die sich in mutmaßlich betrügerischer Absicht an renommierte Institutionen wie die Uni Wien richten. Erstere beschäftigen uns leider seit jeher, zumal die Einschätzung des wissenschaftlichen Werts einer Veranstaltung im Auge des Betrachters liegt. Fake-Konferenzen sind ein neues Phänomen, somit die Ausnahme. Nicht auszuschließen, dass uns bei über 1.500 Events pro Jahr die eine oder andere nicht ganz seriöse Veranstaltung unwissentlich „reingerutscht“ ist.

Was macht das Differenzieren so schwierig?
Es ist erstaunlich, wie viel betrügerische Energie in das professionelle Erscheinungsbild dieser Events fließt. Häufig erinnern etwa Konferenz- und Veranstaltername an wissenschaftlich etablierte Organisationen und Kongresse. Auf der Profi-Webseite wird auch der eine oder andere bekannte Namen aus den Fachbereichen strategisch günstig deponiert. Und dies, obwohl diese oft nicht einmal angefragt wurden. Wir müssen leider tief graben, um etwas über das eigentliche Ziel und die Verantwortlichen zu erfahren.

Geben Sie uns ein praktisches Beispiel, bitte.
Aktuell: Eine eintägige, wissenschaftliche Konferenz mit 50 Teilnehmern, für die im Januar 2019 von einem Veranstalter mit Sitz im Baltikum für Juni 2019 angefragt wurde. Nach routinemäßiger Überprüfung kam es zum Vertrag. Zweifel an der Seriosität kamen auf, als ein Professor der Uni Wien uns seine Bedenken mitteilte. Er wurde als Keynote-Speaker angefragt. Hier war es lediglich ein Verdacht.

Später wandte sich eine Studentin mit Fragen zur Anmeldung für einen dreitägigen Kongress am selben Ort, zur selben Zeit, aber mit abweichendem Titel, Inhalt und Laufzeit an uns; da läuteten die Alarmglocken. Die Inhalte wurden getauscht. Die beiden, nicht kommunizierten, Tage sollten mit einem Social-Programm und Webinaren gefüllt werden.

Kaum zu glauben. Wie konnten Sie den Schaden abwenden?
Der Veranstalter hat sich ein Bein gestellt, da die Änderung von Titel und Inhalt der Konferenz dem Vertrag die Grundlage entzogen hat. Wir konnten so die Vereinbarung für nichtig erklären.

Welche internen Konsequenzen haben Sie gezogen?
Die Kontrollmechanismen sind dieselben. Wir sind noch wachsamer, die Aktivitäten der „Fake-Science-Conference-Industry“ haben ihren Zenit wohl noch nicht erreicht.

Würden Peer-Reviews seitens der Branchenverbände helfen?
Ein branchenweiter Austausch zu Fake-Conventions ist das wichtigste und einzig wirksame, diesen Entwicklungen zu stoppen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich das Durchführen von Peer-Reviews als Werkzeug zur Bekämpfung von Scheinkonferenzen bewähren kann. In jedem Fall sollte den Verbänden eine übergeordnete, organisatorische Rolle zukommen, um mit den internationalen wissenschaftlichen Fachverbänden zu kooperieren.

Herzlichen Dank, Herr Krug!

CIM4-5/19, Katrin Schmitt