Ein Marathon, kein Sprint

Freitag, 19.07.2024
Was macht eine wirklich nachhaltige Veranstaltung aus und wo liegen die größten Herausforderungen auf dem Weg in eine grüne (Event-)Zukunft? Nachhaltigkeitsexpertin Sarah Sommerauer über den Status Quo in der Branche.

Sarah Sommerauer, Foto: Steffen Beck

CIM: Frau Sommerauer, was bedeutet nachhaltiges Eventmanagement für Sie?

Sarah Sommerauer: Wenn wir in meinen Unternehmen von nachhaltigen Events sprechen, geschieht das unter folgenden fünf Gesichtspunkten: Zunächst muss eine Veranstaltung über eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie verfügen, mit dem Ziel, die Nachhaltigkeitsleistung kontinuierlich zu verbessern. Außerdem wird die Treibhausgas-Bilanz berechnet, wobei 5-10 kg CO2-Emissionen pro TeilnehmerIn anvisiert werden. Das Event soll eine positive Legacy und sozialen Impact hinterlassen. Dazu kommt, dass das Eventziel mit hoher Qualität erfüllt wird, Emotionen vermittelt werden und der Zusammenhalt gestärkt wird. Und zu guter Letzt: Die Veranstaltung ist finanziell erfolgreich.

Wie nachhaltig war denn das letzte Event, das Sie besucht haben?

Das letzte Event war wie die meisten, die ich besuche: Es gibt noch viel Potenzial. Wobei ich auch sehr hohe Ansprüche an die Nachhaltigkeitsperformance habe.

Wie lassen sich echte nachhaltige Praktiken von reinen Marketingstrategien unterscheiden?

Echte nachhaltige Praktiken zeichnen sich durch ganzheitliche Ansätze sowie transparente, messbare und langfristige Maßnahmen aus. Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernsthaft verfolgen, entwickeln umfassende Nachhaltigkeitsstrategien und können detaillierte Berichte über ihre Umweltinitiativen und deren Auswirkungen vorlegen, wie zum Beispiel eine CO2-Bilanz.

Im Gegensatz dazu beschränken sich reine Marketingstrategien oft auf oberflächliche Maßnahmen und Schlagworte ohne substanzielle Beweise oder langfristige Verpflichtungen.

Halten Sie die derzeitigen Standards und Zertifizierungen in der Branche für ausreichend, um wirklich nachhaltige Veranstaltungen zu schaffen?

Die meisten Standards und Zertifizierungen sind ein guter Anfang, reichen aber oft nicht aus. Ich bin Fan von der Erstellung einer aussagekräftigen CO2-Bilanz zur Erfassung der Treibhausgasemissionen sowie die Anwendung der ISO 20121, die die Einführung eines strategischen Nachhaltigkeitsmanagementsystems zum effektiven Management und die Reduktion dieser Emissionen vorsieht. Durch eine umfassendere Auslegung der ISO können auch soziale Aspekte, die Sustainable Development Goals, Bodenverbrauch, Diversität, Wasserverbrauch und andere Faktoren einbezogen werden.

Über die Bedeutung nachhaltiger Veranstaltungen lässt sich nicht streiten. Wo liegt also die Hemmschwelle beim Planen und Umsetzen grüner Events?

Eine der größten Hürden liegt im Bewusstsein und Wissen der VeranstalterInnen. Viele sind sich der Möglichkeiten und Vorteile nachhaltiger Praktiken nicht vollständig bewusst und haben oft Bedenken hinsichtlich der Kosten und des Aufwands, obwohl nachhaltige Events langfristig wirtschaftlich vorteilhaft sein können.

Ein weiterer Faktor ist die oft unzureichende Unterstützung seitens der DienstleisterInnen. Auf der anderen Seite überschätzt ein Teil der VeranstalterInnen ihre Fähigkeiten, indem sie Müll trennen und vegetarische Speisen anbieten, und glauben, damit bereits nachhaltig zu handeln.

Sie haben gerade den Kostenfaktor angesprochen – sind nachhaltige Events wirklich immer teurer?

Nicht unbedingt. Während einige nachhaltige Maßnahmen anfänglich teurer sein können, führen sie oft zu langfristigen Einsparungen. Beispielsweise reduzieren wiederverwendbare Materialien und energieeffiziente Technologien auf Dauer die Betriebskosten. Außerdem steigert eine nachhaltige Ausrichtung das Image und die Attraktivität der Veranstaltung, was zu höheren Teilnehmerzahlen und Sponsoring-Einnahmen führen kann.

Mit Ihrem Unternehmen „Sustainable Events Club“ bieten Sie online ein siebenstufiges Weiterbildungs- und Coaching-Programm im nachhaltigen Eventmanagement an. Ganz frisch wurde die „Sustainable Events Academy“ gelauncht. Was steckt dahinter?

Entstanden aus der positiven Resonanz auf unser bestehendes Weiterbildungsangebot im Rahmen des Sustainable Events Club haben wir erkannt, dass es viele weitere Kurse für unterschiedliche Zielgruppen und Bedürfnisse braucht, um die Branche auf dem Weg zur nachhaltigen Transformation intensiver zu begleiten und schneller voranzubringen. Entstanden ist die Sustainable Events Academy als unsere Weiterbildungsplattform für nachhaltiges Eventmanagement. Hier bieten wir spezialisierte Onlinekurse an, die sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Anwendungen abdecken und von führenden BranchenexpertInnen geleitet werden.

Die Sustainable Events Academy und der Sustainable Events Club ergänzen sich wunderbar, denn nachhaltige Transformation ist ein Marathon, den wir nur gemeinsam bewältigen können – kein Sprint. Unser Ziel ist es, dass über nachhaltiges Eventmanagement nicht nur gesprochen, sondern dieses auch umgesetzt wird. So kamen unsere Memberships ins Spiel. TeilnehmerInnen erhalten einerseits nach Abschluss der Kurse kontinuierliche Unterstützung und Begleitung beim Umsetzen. Auf der anderen Seite fördern wir aktiv den Aufbau von Netzwerken und den internationalen Austausch, um voneinander zu lernen und gemeinsam zu wachsen.

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Bis 2050 soll die EU klimaneutral werden. Schafft die Veranstaltungsbranche das schon früher?

Das Potential ist auf jeden Fall da. Mit verstärkter Zusammenarbeit, politischen Anreizen und einem kontinuierlichen Engagement für Nachhaltigkeit kann die Branche einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralität leisten.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Sommerauer! Johanna Palmu

Sarah Sommerauer ist Expertin für nachhaltige Veranstaltungen im deutsch­sprachigen Raum und CEO & Founder des Sustainable Events Club und der Sustainable Events Academy. Sie hält Vorträge an mehreren Hochschulen, ist Beraterin und durfte außerdem bei inter­nationalen Events wie der UN-Klima­konferenz COP28 und The Ocean Race wertvolle Erfahrungen als Nachhaltigkeitsmanagerin sammeln.