CIM: Was sind die wichtigsten Ergebnisse des neusten SITE-Index? Pádraic Gilligan: Der diesjährige Index – heute bekannt als Incentive Travel Industry Index (ITII) – ist ein gemeinsames Projekt mit der Incentive Research Foundation (IRF) und den Financial & Insurance Conference Professionals (FICP) und beruht auf Angaben von über 1.000 Incentive-Profis aus 81 Ländern. Die wichtigsten Ergebnisse sind: Incentivereisen nehmen weiter zu; die Ausgaben pro Person liegen stabil bei 4.000 Euro. Das Klima ist sehr optimistisch und beständig. Die Bindung zwischen Teilnehmer und Management steht zunehmend als Schlüsselergebnis der Veranstaltung im Mittelpunkt. Vor allem Wellness ist ein wesentlicher Programminhalt. Auf Nachfragerseite sind Drittanbieter/Agenturen führend beim Gestalten innovativer Programme. CSR-Initiativen sind für europäische Incentive-Experten wichtiger als für ihre nordamerikanischen Kollegen.
Welche Rolle spielt die Zunahme großer chinesischer Incentive-Gruppen für die europäische Branche?
Die deutliche Mehrheit der Programme bleibt in der eigenen Region. So finden große chinesische Incentives tendenziell in Asien statt, wobei Malaysia, Thailand, Indonesien und zuletzt Australien die Hauptziele sind. Einige hochkarätige Megagruppen reisen in die Ferne – nach Dubai, zum Beispiel, Paris oder Südfrankreich. Dieser Trend wird sich sicherlich fortsetzen, da chinesische Unternehmen versuchen, den Teilnehmererwartungen mit hochkarätigen Zielen zu entsprechen. Durch ihre Größe habe diese Programme ein ganz anderes Erscheinungsbild als die Nähe und Intimität einer Veranstaltung für 50 Teilnehmer! Auch fließen kulturelle und kulinarische Vorlieben in die Programmgestaltung mit ein, wenn Gäste durchgehend chinesisches Essen bevorzugen und Kulturangebote eher im Freizeitformat stattfinden.
Wie können Sie mehr Branchenakteure für die europäischen SITE-Chapter gewinnen?
SITE hat in Europa eine lange Tradition mit starken Chaptern in vielen Ländern. Unsere Jahreskonferenz fand im Januar 2017 in Rom statt und war die größte aller Zeiten außerhalb der USA. Seit kurzem ist SITE ausgesprochen „europäisch“ geworden – mit einer italienischen Präsidentin: Annamaria Ruffini, einem belgischen CEO: Didier Scaillet und einem irischen Marketingchef: mir selbst, im ehrenamtlichen und geschäftsführenden Vorstand. Die Anschuldigungen, wir wären zu US-zentriert, sind also übertrieben! 2019 starten wir den „Incentive Summit Europe“ (ISE), die EU-Ausgabe des erfolgreichen „Incentive Summits Americas“. Wie der ISA findet der ISE auch im Spätwinter statt und bietet Experten eine kleine feine Veranstaltung mit Bildungs- und Networkingmöglichkeiten in einer noch zu enthüllenden Skiregion. SITE ist sowohl bei der IBTM World als auch bei IMEX Frankfurt als Aussteller dabei und veranstaltet die SITE NITE Europe am Montag vor der IMEX-Eröffnung. Die SITE NITE ist eine lebhafte Veranstaltung mit über 400 Teilnehmern und zeigt SITE als dynamischen, stark in Europa verwurzelten Verband.
Es wurde ein leichter Rückgang bei den Charity-Inhalten beobachtet. Wie könnte CSR für Incentiveteilnehmer attraktiver werden?
Während die Gesamtzahlen für die Auswirkungen und das Einbeziehen von CSR in Incentivereisen niedriger sind als im Vorjahr, gibt es im 24-Monats-Szenario sowie regional erhebliche Unterschiede. Im Vergleich der beiden Jahre 2015/16 und 2017/18 liegt CSR in allen Regionen um zwei Punkte höher. Während Südamerika einen Nettorückgang aufweist, gibt es einen deutlichen Anstieg in Europa (von 38 auf 43 Prozent) sowie eine enorme Steigerung in Asien (17 auf 38 Prozent). In allen Regionen spielen CSR und Nachhaltigkeit neben der nationalen Wirtschaft die zweitwichtigste Rolle beim Planen und Umsetzen von Incentives. Allerdings könnte die geringere Priorität für CSR-Inhalte – inzwischen auf dem 5. Platz – und die gleichzeitige Zunahme von Wellness (2.) auf einen Wandel vom Altruismus zur Egozentrik hindeuten. Da ich jedoch kein Sozialpsychologe bin, kann ich mich dazu nicht wirklich äußern!
Während einer Präsentation des Index äußerte ein Agenturvertreter seine Vorbehalte gegenüber CSR und erklärte, dass dieser Inhalt seiner Meinung nach zwar vom Incentivegeber gefordert und vom Planer gefördert, aber nicht wirklich von den Teilnehmern akzeptiert wurde, da diese meinten: ,Ich habe hart geschuftet, um diese Reise zu verdienen, jetzt will ich meinen eigenen ROI!‘.
In der Vergangenheit haben wir CSR vielleicht als Feigenblatt benutzt, und das bringt keinem was. CSR-Aktivitäten sollten bei Incentives für den Teilnehmer optional, aber äußerst ansprechend und sinnvoll sein, dann wird der Teilnehmer auch mitmachen. Bei gutem Umsetzen – es gibt einige wunderbare Beispiele aus Südafrika – können CSR-Aktivitäten sowohl beim Teilnehmer als auch beim Incentivegeber wirklich etwas bewegen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Gilligan!