Anders. Während der ehemalige Mönch Anselm Bilgri, heute Berater für Unternehmenskultur, die 1.500 Jahre alte Benediktsregel als „Richtschnur werteorientierter Unternehmensführung“ interpretiert, referiert Joey Kelly getreu seinem Motto „aufgehört wird danach“ über seine 240 km in sechs Tagen durch die Wüste Gobi. Später zieht Andreas Graf Bernstorff die Zuhörer in seinen Bann. Dank ihm und seiner Greenpeace-Mitstreiter ist es seit dem Basel Agreement illegal, Giftmüll zu exportieren. Der ehemalige Campaign-Manager erklärt eindringlich die Planung und punktgenaue Umsetzung von Events und Aktionen, die internationale Aufmerksamkeit bekommen haben.
Drei von vielen Rednern, die MPI Germany, allen voran Präsident und axica-Chef Jochen A. Lohmar und Geschäftsführer Uwe Klapka zum 2. MPI DialogTag am 15./16. Januar 2009 in das Congress Center der Messe Essen eingeladen hat. „Wir haben uns bewusst nicht auf reine oder ausschließlich Eventbezogene Themen gesetzt“, kommentiert Lohmar, „sondern wollen den DialogTag eine breitere Zielgruppe als nur die MPI-Mitglieder erreichen.“ „Wir haben in den letzten neun Monaten, seit der Befragung während des letzten Executive Meeting in Frankfurt, an der Umsetzung der Wunschliste gearbeitet“, sagt Klapka. „Herausgekommen ist der Dialogtag.“
Die Meeting Professionals International, in Europa immerhin mit über 2.000 Mitgliedern, sind in Deutschland aus dem Dornröschen-Schlaf erwacht. „Wir wollen ein Zeichen setzen, zeigen, wie modern MPI ist“, betont der MPI-Germany-Chef. Im Vordergrund stünde die sinnliche Erlebbarkeit der Branche, die Grenze zwischen Referenten, Themen und Publikum solle sich auflösen.
Die Firma Swarm präsentiert hierzu ihr Alternative zu Powerpoint, Künstler und Unternehmensberater Jolly Kunjappu macht am Ende des ersten Tags den Delegierten Lust auf das Abendevent in der Kohlenwäsche der Zeche Zollverein. Kunjappu war u.a. Studio-Percussionist für die Rolling Stones, komponiert Ballettmusik z.B. für die Bayerische Staatsoper München und reißt die Menschen mit seinem Rhythmus mit – trotz Grippe. An seiner Spezialität, der Interaktion, lässt er keinen Zweifel. „Die Präsentationen von Colja Dams und Jolly Kunjappu waren für mich die Besten“, berichtet Deike Schmidt, Marketing und Projektleiterin bei Smart & More, Hamburg. „Warum? Die klar strukturierten Vorträge mit Witz und Esprit waren auch inhaltlich für mich sehr wertvoll – davon nehme ich viel für meine tägliche Arbeit mit.“
Was auf den ersten Blick zu sehr nach typischem Branchentreff mit Begleitausstellung aussieht oder Spiel und Spaß außerhalb des Büros, ist bei näherem Hinsehen auf das solide Fundament von Procurement, Qualitätsmanagement, Return On Investment und Krisenmanagement gestellt. Themen, die, genauso wie das Musterbrecher-Seminar „Führung neu (er)leben“, den Anwesenden einiges abverlangen.
Elling Hamsö, der europäische Vertreter von ROI-Guru Jack Phillips, ist eigens in die Metropole Ruhr gereist, um diesmal über Procurement zu sprechen. Auch er liebt die Interaktion und Diskussion in der Runde, frei nach dem eigentlichen Sinn des Meetings: „Die Teilnehmer beeinflussen, etwas zu tun, das Mehrwert für die Beteiligten zu möglichst niedrigen Kosten generiert“. Im Fokus der Diskussion ist häufig das „Bermuda-Dreieck“ Meetingplaner, Marketing und Procurement. Eine Herausforderung, die Elling motiviert, anzunehmen. „Procurement fordert Sie heraus, mehr Mehrwert für Ihr Event zu erreichen. Sie müssen Ihre Kollegen im Procurement von Ihren Bedürfnissen überzeugen“.
Führung, Zuhören, Verständnis und Grenzen sprengen – Motive, die sich durch die höchst unterschiedlichen Referate zieht. „So oft im Kloster etwas zu entscheiden sei, soll der Abt die Gemeinschaft zusammenrufen, hören, sich beraten und dann entscheiden“, zitiert Anselm Bilgri. Kloster steht für Firma, Abt für Chef, Gemeinschaft für Angestellte. „Der Abt muss bereit sein, zuzuhören. Wenn wir bereit wären, wirklich zuzuhören, was unsere Stakeholder sagen, dann würden wir einen riesigen Pool an Wissen, Einschätzungen und Ideen wahrnehmen“, bestärkt er die Meetingprofis, die die Ohren weit aufsperren.
Für Deike Schmidt war „die Teilnahme sehr wertvoll, da ich fachlichen wie ‚Softskill’-Input bekommen habe. Das Gehörte hat bei mir ausgelöst, meine Kreativität und meine Herangehensweise an einige eigene Projekte bzw. Arbeitsabläufe im Alltag anders zu betrachten, zu überdenken und innovativ zu gestalten.“ Auch der Austausch mit den Teilnehmern sei wertvoll gewesen. „neue Kontakte, neue Möglichkeiten im vernetzten Arbeiten wie auch bei der Neuakquisition“, sagt Schmidt.
„Sehr gute Referenten und unterschiedlichste Themen, für jeden etwas dabei“, sagt Andrea Bangert erfreut. Die Prokuristin der Messe Essen und Leiterin des Kongresszentrums und der Philharmonie Essen Saalbau freut sich auch über den reibungslosen Ablauf im Kongresszentrum, das ganz Stilecht den Aufbau eine vor zwei Wochen eingebuchten Konzerts in Halle 3 überblickt, zu dem 10.000 Leute erwartet werden. Auch das positive Feedback der Gäste zaubert ihr ein Lächeln. „Mal was Anderes!“
Die Vorträge als Stream finden Sie hier…
Interview
Colja Dams, CEO der Vok Dams Gruppe, über sein Seminar während des MPI DialogTags, in dem es u.a. um Neuroökonomie, heilige Kühe und zwischenmenschliche Kommunikation.
CIM: Wie fühlen Sie sich nach Ihrem Seminar „Trends in Event Marketing“?
Dams: Vorträge haben immer etwas ganz besonderes: man bekommt direktes Feedback.Es waren außerdem viele interessante Gespräche während und nach dem Seminar möglich.Ich mag es zu networken und ich mag direktes Feedback – und deshalb fühle ich mich auch richtig gut!
Und was hat das mit der „Neuro Economy“ zu tun?
Neurowissenschaftlich betrachtet hat der Vortrag mein Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Die Belohnung: gefühlte Zufriedenheit! Unsere Branche kann durch die Ergebnisse der Neurowissenschaften einen echten Schub bekommen.Das wollte ich in meinem Seminar zeigen, ebenso wie Lösungen, die auf den Ergebnissen der Neuroökonomen aufgebaut sind.
Was sind die Merkmale des Konsumenten 2.0?
Sie haben doch auch sicher ein internetfähiges Telefon, ein XING- oder Linked-in-Profil und lesen Blogs oder bloggen selbst? Wenn das so ist, dann haben Sie Ihr Informations- und Kommunikationsverhalten bereits digitalisiert und sind auf dem Weg zum Konsumenten 2.0. Es gibt mittlerweile virtuelle Büros, virtuelle Meetings und immer mehr Avatare – virtuelle „Ichs“. Die Virtualität um uns wächst also rasant. Damit einher geht ein weiteres Phänomen: das so genannte „Prosumen“. Der Konsument 2.0 wird immer mehr zum Bestimmer, was und wie im Internet kommuniziert wird. Er wird deshalb im Positiven wie im Negativen der „Macher“ einer Marke und gewinnt an Einfluss.
Sie sprachen von „heiligen Kühen“. Herr Dams, was hat das mit Event zu tun?
In meinem Seminar sprach ich von der „Freizeit“ als heilige Kuh der Konsumenten.Sie ist in diesen rasanten und intensiven Zeiten sicher ein hohes Gut, das man wertschätzen sollte. Wenn alles schneller und auch digitaler wird, erfolgt eine Rückbesinnung auf die direkte zwischenmenschliche Kommunikation. Ein Argument für Events und Live-Marketing als Kommunikationsmedium. Und eine Pflicht für alle, die um die Zeit der Konsumenten buhlen: Es geht darum die Freizeit aufzuwerten! Denn wer Wertvolles gibt, möchte auch Wertvolles dafür bekommen.
Ihr gefühlter Ausblick auf die Herausforderungen für die Meetingbranche 2009?
Herausforderungen ist eine wesentlich bessere Vokabel als die der „Krise“. Natürlich werden wir uns Veränderungen stellen müssen.