Vergangene Woche hat das Forum Veranstaltungswirtschaft ins Haus der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft geladen. Anlass war es, gegenüber der Politik die angespannte Lage der Live- und Event-Branche zu skizzieren. Dabei haben die Mitglieder des Verbands die über anwesenden 70 Abgeordneten und deren ReferentInnen über die aktuellen Herausforderungen der Branche und ihre Erwartungen an die Politik informieren können, heißt es in einer Mitteilung.
Schirmherrin des Abends, Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), habe in ihrer Eröffnungsansprache die „besondere Bedeutung der Veranstaltungswirtschaft für den Zusammenhalt der Gesellschaft“ betont und von den dramatischen Auswirkungen der Energiepreisexplosion, der Inflation und der fortwirkenden wirtschaftlichen Folgen für die Veranstaltungswirtschaft gesprochen.
Erwartungen an die Politik artikuliert
Es folgte ein Podiumsgespräch mit Messeveranstalter Henning Könicke, Geschäftsführer der AFAG GmbH, Jana Radomski, Inhaberin der Lichtstärken Veranstaltungstechnik, und Konzertveranstalter Dieter Semmelmann von Semmel Concerts, wobei die aktuelle Situation des Wirtschaftszweigs und dessen zukünftige Herausforderungen aus dem Blickwinkel der Praxis thematisiert wurde. Anschließend stellten die RepräsentantInnen der Wirtschaftsverbände ihre Erwartungen an die Politik sowie die aus ihrer Sicht erforderlichen Rahmenbedingungen vor.
Ein Konsens hierbei: Alle VertreterInnen hätten dargelegt, dass eine Maskenpflicht sowie Kapazitätsbegrenzungen erneut zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen in allen Segmenten der Veranstaltungswirtschaft führen würde. Denn bereits in den letzten zwei Jahren habe sich deutlich gezeigt, dass Messe- und KonferenzbesucherInnen nicht bereit seien, sich mit einer Maske stundenlang in Veranstaltungshallen aufzuhalten, heißt es. Davon hätten demnach auch die KulturveranstalterInnen berichtet.
Im Wortlaut: Die Stimmen aus der Branche
- Henning Könicke, Vorstand des Fachverbands Messen und Ausstellungen (FAMA): „Wir brauchen auch dringend Optionen für die Messebetriebe, die es ihnen ermöglichen, bei den ständig steigenden Energiepreisen ihre Hallen weiterzubetreiben. Millionen Quadratmeter Ausstellungs- und Aktionsfläche müssen beheizbar sein, da Menschen bei Minusgraden Messen nicht besuchen werden. Die Energiepreise stehen der Nutzung jedoch entgegen. Hier brauchen wir dringend Unterstützung seitens des Wirtschaftsministeriums.“
- Ilona Jarabek, Präsidentin des Europäischen Verbands der Veranstaltungs-Centren (EVVC): „Über 80 Prozent der Hallen sind direkt oder indirekt von der Gasversorgung abhängig. Es besteht große Unsicherheit, wie der Betrieb über den Winter sichergestellt werden kann. Dazu kommt schon jetzt eine Vervielfachung der Energiekosten. Wenn die Hallen nicht mehr öffnen können, hat kein Veranstalter mehr die Möglichkeit, seinen Beruf auszuüben, selbst wenn es keine Maskenpflicht und keine Kapazitätsbegrenzung gibt. Wir brauchen dringend Antworten der Bundesregierung, was dann geschehen soll.“
- Linda Residovic, Geschäftsführerin des Verbands für Medien- und Veranstaltungstechnik (VPLT): „Trotz eines überwiegend guten Sommergeschäftes sind die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie für die Betriebe der Veranstaltungswirtschaft noch lange nicht überwunden. Die umfangreichen Hilfen werden verpuffen, wenn es jetzt nicht weitere Maßnahmen gibt, um die Unternehmen vor einer weiteren Nullrunde im Winter zu bewahren. Inflation oder hohe Energiekosten erschweren die Situation zusätzlich. Wenn wir erneut über Kurzarbeitergeld reden, braucht es daher von Beginn an aufgestockte Leistungen. Wichtig ist auch die Förderung der Weiterbildung in dieser Zeit, weil sie berufliche Perspektiven unterstützt.“
- Pamela Schobeß, Vorstand des Verbands der Musikspielstätten in Deutschland (Live Komm): „Sollte die Maskenpflicht in der geplanten Form in Kraft treten, wird die Lage für Clubs und Musikspielstätten bundesweit noch dramatischer, als sie es jetzt schon ist. Hinzu kommt, dass die Veranstaltungsbranche in besonders schweren Zeiten der letzten zwei Jahre nur aufgrund von Förderungen und Hilfsprogrammen überleben konnte. Dass für die kommenden Monate keine Förderungen geplant sind, gefährdet die Existenz vieler Clubs und Musikspielstätten.“
- Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV): „Die Ticketverkäufe bei in diesem Jahr neu geplanten Veranstaltungen sind erschütternd.“ Zufriedenstellend liefe es nur bei den Top-Acts. Dem stünden aber Tausende schlecht laufender mittlerer und kleinerer Events gegenüber, die die kulturelle Vielfalt gewährleisteten. In den vergangenen zwei Jahren haben die VeranstalterInnen nur mit der Wirtschaftlichkeitshilfe des Sonderfonds für Kulturveranstaltungen überleben können. „Daher sind wir außerordentlich erfreut über die Signale aus Berlin, dass nun doch geplant werde, den Sonderfonds in das Jahr 2023 hinein zu verlängern. Dies ist nämlich nicht nur erforderlich, um zukünftige pandemiebedingte Veranstaltungsabsagen abzusichern, sondern auch das Publikum vor Insolvenzrisiken der VeranstalterInnen zu schützen.“ Es sei völlig unverantwortlich, wenn man VeranstalterInnen ohne irgendeinen Rettungsschirm im Regen stehen ließe, klagt Michow.
- Marcus Pohl, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der selbständigen Dienstleisterinnen und Dienstleister in der Veranstaltungswirtschaft (ISDV): „Wenn VeranstalterInnen nicht veranstalten, wenn Clubs schließen, wenn Veranstaltungen nicht mehr funktionieren, weil niemand mehr Tickets kaufen kann oder Maskenpflicht besteht, dann geraten die selbständigen DienstleisterInnen in eine Situation, die einem Tätigkeitsverbot gleichkommt. Es muss daher jetzt klargestellt werden, welche Hilfsmaßnahmen dann für die Selbständigen greifen.“