„Nicht erst angehühnert kommen, wenn man etwas will“

Donnerstag, 25.07.2019

Boris Jebsen, Gründer & CEO von droidcon HQ, Organisator des Festivals Children of Doom in Berlin, über den gesunden Menschenverstand im Angesicht der Apokalypse, interkulturelle Festivals, die Spannungen abbauen und die Aliens milde stimmen könnten und das Kreativitäts- und Veränderungspotenzial der Menschen, das Veranstaltunge antizipieren müssen.

CIM: Herr Jebsen, kann der Weltuntergang gestoppt werden?
Boris Jebsen: Na das wollen wir doch schwer hoffen! Hängt letztlich davon ab, welche Art von Apokalypse über uns hereinbrechen wird. Bei den Mensch-gemachten Katastrophen – allen voran dem fortschreitenden Klimawandel durch das Einbringen schädlicher Gase in die Atmosphäre – hängt es letztlich davon ab, ob sich der gesunde Menschenverstand noch rechtzeitig durchsetzt.

Dafür scheint aber der Leidensdruck noch nicht hoch genug zu sein, zumindest in den Industrieländern. Außerdem sind Probleme, die erst in zehn oder mehr Jahren massiv eintreten, jenseits üblicher Legislaturperioden und damit in der Prioritätenliste der politischen und wirtschaftlichen Akteure relativ niedrig angesiedelt.

Setzt man eine erneute Weltwirtschaftskrise mit auf die „Katastrophen-Agenda“, so wird diese auf jeden Fall eintreten. Dies eher früher als später, da die entsprechenden Indikatoren bereits im roten Bereich sind. Überschreitet eine solche Wirtschaftskrise einen bestimmten Punkt (2008 waren wir schon nahe dran), so bricht das globale Banken- und im nächsten Schritt das Währungssystem zusammen und damit auch die Börsen.

Kreditlinien fallen aus, selbst global operierende Konzerne gehen Bankrott. Millionen von Menschen werden arbeitslos, es folgen soziale Unruhen. Eventuell Fallen sogar kritischer technologische Infrastrukturen, wie die Stromnetze, aus – und dann sieht es richtig schlecht für uns aus.

So gesehen wäre ein externes apokalyptisches Ereignis vielleicht sogar noch die „bessere“ Option. Einen Asteroiden – so er denn „nur“ schlappe hundert Meter misst und die Flugbahn rechtzeitig genug erkannt wird – könnten wir bereits mit unserer heutigen Technologie ablenken, Stichwort „Impulstransfer“: Bei Gamma Bursts durch eine nahe Hypernova oder kollidierende Neutronensterne sähe die Sache schon wieder anders aus. Wenn wir da voll im Energiekegel liegen sind wir Toast.

Keine Zeit, weiterzulesen? Hier finden Sie die Kurzfassung des Interviews.
 

2009 haben Sie den Entwicklerkongress Droidcon organisiert, 2019 das Festival „Children of Doom“ – was kommt 2029?
Jebsen: Keine Ahnung – da muss ich mal in meine Glaskugel schauen. Vielleicht ist es ja ein gemeinsames Festival zu Ehren unserer „geliebten außerirdischen Herrscher“, die 2026 die Erde besetzen, die Rohstoffe geplündert und die Reste der Menschheit unterjocht haben. Solche interkulturellen Festivals könnten Spannungen abbauen und die Aliens milde stimmen. Im besten Fall warten wir, bis sie alle betrunken sind, entern ihre Raumschiffe, fliegen zum nächsten erd-ähnlichen Planeten und richten dann den zugrunde.

Wie äußert sich Ihre Kreativität?
Jebsen: In Schlaf- und Rastlosigkeit. Ernsthaft – ich lese extrem viel, offline und online. Dazu spreche ich regelmäßig mit sehr vielen Menschen, die ich so über die Jahre kennengelernt habe und mit denen ich gut klarkomme (und sie mit mir). So funktioniert Netzwerken – man sollte nicht erst dann bei jemandem angehühnert kommen, wenn man mal wieder was will.

Egal, diese Informationen aus unterschiedlichsten Quellen bilden irgendwie in meinem Kopf Muster, so wie Legosteine, die zufällig zueinander passenen und sich miteinander verbinden. Irgendwann macht es „klick“ – häufig um 3 Uhr morgens – und die Nacht ist gelaufen, weil die alte Denkbirne sich nicht mehr abschalten lässt.

Vorstellungskraft plus Fakten plus Kreativität ergibt … ?
Jebsen: … unendliche Möglichkeiten! Alle drei von Dir genannten Eigenschaften kumulieren in dem wohl erstaunlichsten Organ unseres bekannten Universums – dem menschlichen Gehirn. Und das läuft seit einigen Millionen Jahren auf Hochtouren. Irgendein Homo Erectus saß mit seiner Sippe zirka 700.000 vor Christus in einer kalten, dunklen Höhle, als ganz in der Nähe während eines Gewitters der Blitz einschlug und trockenes Holz entzündete. Während sich alle anderen furchtsam zusammen kauerten, ging sie oder er mutig hinaus und näherte sich diesem „brennenden Monster“.

Der Rest ist im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte, inklusive Licht und gebratenem Fleisch, welches nicht unwesentlich zum Wachstum unseres Gehirns beitrug. Und vor 7.000 Jahren fiel irgendeinem modernen Menschen auf, dass bestimmte Steine, die im Feuer gelegen haben, eine verdammt harte Substanz hervorbringen. Die ersten Erze wie Kupfer waren entdeckt, wurden bearbeitet, legiert und bildeten den Grundstein der heutigen Industriegesellschaften. – Nebenbei brachten sie das Berufsbild des Ingenieurs hervor!

Warum sind Events prädestiniert, neu erfunden zu werden?
Jebsen: Weil das Verharren auf dem Status Quo letztlich immer Rückschritt bedeutet. Menschen ändern sich, ihre Umgebung, ihr soziales Umfeld. Ihr Denken ändert sich und damit ihre Erwartungshaltung daran, wie sie ihre kostbarste Ressource  Zeit sinnvoll verbringen wollen. Veranstalter müssen darauf reagieren, wenn sie weiterhin Menschen zusammenbringen wollen. Das wird übrigens in neun von zehn Fällen nicht auf Anhieb funktionieren; dazu sind Menschen zu komplex.

Also probiert man es nochmal, nochmal und nochmal – bis man die Formel gefunden hat, bei der sich alles ineinanderfügt und die Teilnehmer einen hoffentlich rundum gelungenen, erfolgreichen Tag erleben.

Egal ob b2b, b2c oder der Satz des Pythagoras – am Ende sind wir alle Menschen.

Besten Dank, Herr Jebsen!

CIM-Redaktion, Katrin Schmitt