Online first, in-Person second

Donnerstag, 31.10.2024
Vom persönlichen Treffen zur digitalen Interaktion: Warum er der Meinung ist, dass der MICE-Vertrieb seine Methoden neu ausrichten muss, erläutert Branchen­experte Peter Cramer in seinem Gastbeitrag.
Peter Cramer

Peter Cramer ist Experte im Bereich MICE-­Vertrieb und Marketing mit über 30 Jahren Berufserfahrung, gefragter Referent und Autor mehrerer Fachartikel und Bücher. Photo: Peter Cramer

Künstliche Intelligenz (KI) hat längst Einzug in unser tägliches Leben gehalten und verändert rasant die Art und Weise, wie wir arbeiten und interagieren. Der Veranstaltungsbranche bietet KI zahlreiche Vorteile: So bietet KI für EventplanerInnen nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, ihre Veranstaltungen zu optimieren. Briefing-Informationen der geplanten Veranstaltung können in KI-Tools wie ChatGPT eingespeist werden, mittels gezielter Prompts entsteht ein detailliertes TeilnehmerInnen-Profiling. Kombiniert man diese Informationen mit den gewünschten Event-Zielen, den räumlichen und technischen Voraussetzungen sowie persönlichen Präferenzen, liefert die KI konkrete Empfehlungsergebnisse statt bloßer Suchergebnisse: geeignete Destinationen, Städte, Locations, Restaurants. Diese Entwicklung wird die Eventplanung maßgeblich verändern und hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf den MICE-Vertrieb. Denn die zentrale Frage, die sich der Vertrieb nun stellen muss, lautet: „Was muss ich konkret tun, um empfohlen zu werden?“

Mensch -> KI -> Mensch

Ganz schön spooky? Natürlich, deshalb ist es unerlässlich, die menschliche Komponente aus persönlichen Erfahrungen und Empfehlungen einfließen zu lassen. Die generierten Informationen müssen ausführlich überprüft und gründlich recherchiert werden. Die Qualität der Empfehlungen hängt stark von der Qualität der formulierten Prompts ab, die verwendet wurden, um diese Ergebnisse zu erzielen. Vereinfacht gilt die Formel: Mensch -> KI -> Mensch. Bestehen die Empfehlungen jedoch die Überprüfungen, ist eine weitere Recherche zumeist nicht notwendig. Und für den MICE-Vertrieb bedeutet dies dann: Wenn sie in diesem Prozess nicht genannt werden, ist die Wahrscheinlichkeit, überhaupt in Betracht gezogen zu werden, gleich null. Der MICE-Vertrieb muss daher permanent relevante Inhalte (Content) online kommunizieren und diese über Basis-Webseiten, Blogs, Community-Seiten, soziale Medien, Newsletter und MICE-Fachpublikationen verbreiten, um die Empfehlungsrate durch die KI zu steigern.

Die Zukunft: Digital First

Der Wandel zu „Online first – in Person second“ stellt alle bisherigen Vertriebsstrategien auf den Kopf. Seit den 1980er Jahren basieren alle Maßnahmen auf persönlichen Verkaufsgesprächen: Sales Missions, Supplier Events, Fam-Trips, Fachmessen und Sales-Foren. Diese funktionieren heute aber nur noch, weil sie kostenlos und mit großzügigen Rahmenprogrammen (Hosted Buyer-Programmen) angeboten werden. Vor Ort müssen die TeilnehmerInnen eine vorgegebene Anzahl an Pflichtterminen wahrnehmen – als Gegenleistung für die kostenfreie Teilnahme. Echte Leads kann der MICE-Vertrieb so aber nicht generieren, bestenfalls Glückstreffer. Ganz davon abgesehen, dass die Hosted Buyer-Programme – die heute zwingend nötig sind, um am „Face-to-Face Vertrieb“ festzuhalten – nicht nachhaltig sind. Wöchentliche Sales-Events und Fam-Trips mit hunderten, sowie große MICE-Messen mit tausenden TeilnehmerIInnen, die dafür um den Erdball chauffiert werden müssen, widersprechen den propagierten Nachhaltigkeitszielen des MICE-Vertriebs.

Das primäre Ziel des MICE-Vertriebs war und ist bisher das persönliche Verkaufsgespräch. Zukünftig wird jedoch die Online-Kommunikation von relevanten Informationen rund um solche Anlässe entscheidend sein, um qualifiziertere Anmeldungen zu generieren und von EventplanerInnen sowie KI-Bots bei Online-Recherchen als Empfehlung berücksichtigt zu werden. Es ist unsinnig, auf persönliche Treffen zu setzen, wenn die ersten Kontakte und Informationen online stattfinden. Der Vertrieb muss sich der Realität anpassen und verstärkt auf digitale Strategien setzen, um relevant zu bleiben. Dies erfordert eine umfassende digitale Präsenz, die durch kontinuierliche Online-Kommunikation und die Verbreitung von Inhalten über verschiedene Plattformen geprägt ist. Der Schlüssel liegt in einer ausgewogenen Kombination aus Online- und Offline-Strategien, wobei der erste Kontaktpunkt immer öfter digital sein wird. KI ist der Turbo, der diesen Prozess beschleunigt.