Nichts ist umsonst. Oder? Nicht die Brötchen beim Bäcker, weil, klar hier tauscht man Geld gegen Ware. Eine etablierte Form der Transaktion, so alt wie der Mensch selbst. Ein anderes Tauschgeschäft ist der Erwerb von Dienstleistungen. Dabei hat der Käufer unter Umständen nach dem abgeschlossenen Handel gar kein materielles Plus, keinen Mehr-Besitz. Womöglich hat er sogar weniger, als zuvor, etwa nach dem Frisörbesuch.
Aber, es bleibt festzuhalten, dass Dienstleistungen mit Kosten verbunden sind, auch das ist Usus. Niemand würde das allzu vehement infrage stellen.
Wir sind sogar bereit, zu zahlen, ohne abschließend wirklich etwas zu erhalten. Im Reisebüro legen wir hier und da schon mal mehr oder minder bereitwillig 15 Euro auf den Tisch, damit der Mensch am Counter sich unsere Reisewünsche zuerst einmal anhört. Eine Praxis, die gerade bei den großen Playern am Markt, der Dertour Group oder TUI Deutschland, mehr und mehr gängig wird. Und die KundInnen sehen das ein, die Akzeptanz für sogenannte Serviceentgelte. Ob später eine Buchung zustande kommt oder nicht.
Dasselbe gilt beim Anwalt. Wohl kaum eine Kanzlei verschenkt ein erstes, unverbindliches Beratungsgespräch, noch bevor man über ein eventuelles Engagement übereinkommt. Das alles sind Dinge, die kosten, denn sie erfordern die Leistung von Arbeit. Sie binden Ressourcen in Form von Zeit. Und Zeit ist Geld.
Und dann gibt es noch die Event-Branche. Ein gallisches Dorf. Denn mancherorts klingeln hier die Kassen ganz anders.
Ein Beispiel: Ein Konzern will seiner Belegschaft mal was Gutes tun und plant ein schönes Wochenende in einem Ferienpark mit Rahmenprogramm. Eine eigene Event-Abteilung hat er nicht. Also könnte er sich auf die Suche nach einer sachkundigen Event-Agentur machen.
An dieser Stelle könnten interne Compliance-Regeln oder rechtliche Vorschriften zur Vergabe von Aufträgen das Unternehmen verpflichten, diesbezüglich Angebote von verschiedenen Dienstleistern einzuholen. Und los geht die Pitch-Phase. Dabei treten Bewerber für eine mögliche Auftragserteilung gegeneinander an – und gehen damit in Vorleistung. „Ich habe schon vor zehn Jahren gesagt, dass wir in der Branche zu viel unbezahlt arbeiten“, sagt Event-Profi Daniel Halama, der auf 25 Jahre Erfahrung in der Agentur-Welt zurückblickt. Halama kommt im großen Fokus-Interview ab Seite 19 dazu ausführlich zu Wort.
Das Szenario: Drei eifrige Agenturen wuseln los, Projektteams werden geformt, Locations werden gescoutet. Am Ende investiert jeder der Teilnehmer ein paar Werktage und die Arbeitszeit gegebenenfalls einer Handvoll MitarbeiterInnen. Das Ergebnis: drei gelungene Konzepte, drei Powerpoint-Präsentationen und drei Preis-Kalkulationen. Den Zuschlag bekommt: einer.
Was bekommen die anderen? Kommt darauf an. Im Zweifelsfall, wenn sie sich ihre Pitch-Bemühung nicht haben honorieren lassen, gar nichts. Im harten Kampf um den Zuschlag gibt es Marktteilnehmer, die bewusst keine Pitch-Gebühr erheben, um sich gegenüber einem potenziellen Neukunden von vornherein in ein vorteilhaftes Licht zu rücken. Das verzerrt den Wettbewerb.
„Ist das fair? Als Branche müssen wir uns fragen, ob es nicht bessere Wege gibt, um neue Kunden zu akquirieren“, fordert Kerstin Gödert, geschäftsführende Gesellschafterin der Agentur PURA Die Erlebnismanufaktur in Saarbrücken in einem Beitrag auf Linkedin. „Vielleicht sollten Unternehmen stattdessen eine angemessene Gebühr für die Teilnahme an Pitches zahlen, um die kreative Arbeit der Agenturen zu honorieren? Im Mittelstand ist das mittlerweile gängige Praxis, bei großen Unternehmen noch rar“, so Gödert weiter.
„Bei Pitches, die die Erstellung eines Konzeptes bedingen, wo Locations besichtigt und geprüft werden müssen, wo kreative Arbeit einfließt, ist das Erheben einer Gebühr sicherlich nicht unverschämt“, findet Björn Sänger, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Veranstaltungsorganisatoren (VDVO). „Wichtig ist, dass es klar kommuniziert wird“, so Sänger. Jedoch: „Das Thema Pitch-Gebühren ist nur schwer zu verallgemeinern.“
Ein ernst gemeinter Pitch umfasst in der Regel mehr als nur eine 0815-Präsentation, er kann ein vollständiges Konzept mit Kostenvoranschlägen, Designentwürfen und detaillierten Abläufen beinhalten. Wenn Agenturen für diesen Aufwand nicht vergütet werden, tragen sie das Risiko, auf den Kosten sitzen zu bleiben.
Und mehr noch: Es ist via Pitching nicht gesichert auszuschließen, dass die kreativste Idee, das smarteste Konzept, das passendste Angebot den Zuschlag bekommt und nicht einfach hinterm Rücken an den preiswertesten Pitcher in der Runde weitergereicht wird. Dass das nicht passiert, fordert Björn Sänger vom VDVO, „sollte selbstverständlich sein.“ Ist es das?
Es geht um Transparenz und Fairness. Eine Konsolidierung innerhalb der Branche in Sachen Pitch-Gebühr könnte dabei helfen, sich auf Standards zu verständigen. Auch ein Argument wäre es, dass ein ansatzweise geregelter Pitch-Kodex dazu beitragen könnten, die Zahl der teilnehmenden Agenturen zu begrenzen. Verschlankte Prozesse, effizientere Pitches. Unternehmen, die bereit sind, für Pitches zu zahlen, würden nur ernsthafte KandidatInnen einladen und auch nicht ein halbes Dutzend, sondern drei, was den Auswahlprozess fokussierter und konstruktiver machen könnte. So würden Pitch-Kosten zu einer Frage der Seriosität. Und die auftraggebenden Firmen bekämen bei der Agentur, die letztlich das Rennen macht, ihre Gebühren mit den Projektkosten verrechnet. Eigentlich ein Win-Win.
Aber. Wie immer gibt es auch das ein oder andere Aber. Zum einen, berichtet Daniel Halama, dass die Beträge, die für Pitches erhoben werden, die Pitchkosten bei Weitem nicht decken. Diese Rechnung macht er im Fokus-Interview genauer auf.
Kritiker von bezahlten Pitches hingegen zäumen das Pferd von hinten auf und fürchten, fixe Gebühren würden den Ideenreichtum der Agenturen nicht steigern, sondern sogar eher die Kreativität und Vielfalt der Angebote bedrohen. Gerade in einem wettbewerbsintensiven Markt, so das Argument, könnten Pitch-Gebühren Unternehmen dazu verleiten, weniger Ausschreibungen zu machen oder auf bewährte Partner zu setzen, anstatt neue, kreative Talente zu entdecken. Oder jungen Playern eine Chance geben, die sich aufgrund mangelnder Etabliertheit noch nicht trauen, einen Salär für ihre noch unbewiesene Kreativkraft zu fordern.
Es werde „sicher auch immer Anbieter geben, die ihre Kalkulation so aufbauen, dass sie ohne Pitch-Gebühren auskommen und mit diesem Merkmal am Markt agieren. Insofern werden diese Fragen sicherlich auch vom Markt geregelt werden“, heißt es hierzu vom VDVO.
Größere, finanziell gut aufgestellte Agenturen könnten es sich leisten, auf Pitch-Gebühren zu verzichten, während kleinere Agenturen womöglich auf die Gebühren angewiesen sind, um ihre Ausgaben zu decken. Ist das nicht auch wettbewerbsverzerrend?
Auf die Frage, ab wann die Uhr laufen sollte, und ob sich das standardisieren lässt, gibt es wohl nicht nur eine richtige Antwort.
Felix Hormel