Es sollte das Konzertereignis des vergangenen Jahres werden. Taylor Swift in Wien, drei ausverkaufte Shows, 130.000 erwartete Fans. Doch dann: Die kurzfristige Absage aller Auftritte wegen Terrorwarnung. Während die Swifties ihre Tränen trocknen müssen, bleibt die Entscheidung des Veranstalters die einzig richtige. Der Fall zeigt exemplarisch, wie verwundbar Events tatsächlich sind. Und er wirft ein Schlaglicht auf ein Thema, das die Branche schon lange umtreibt: die Balance zwischen Sicherheit und Praktikabilität.
„Die Bedrohungslagen sind vielfältiger geworden – und das hat direkte Auswirkungen auf die Planung und Durchführung von Veranstaltungen“, erklärt Olaf Jastrob, Vorsitzender des Deutschen Expertenrats Besuchersicherheit (DEB). Neben klassischen Gefahren wie medizinischen Notfällen müssten heute auch terroristische Angriffe oder Amoklagen mitgedacht werden. „Das erfordert komplexere, interdisziplinär angelegte Sicherheitskonzepte.“
Dabei liegt die Verantwortung nicht allein bei den Behörden. Zwar ist Terrorabwehr primär Staatsaufgabe, doch auch der Veranstalter muss seinen Teil beitragen. „Im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht und Betreiberverantwortung muss er geeignete Schutzmaßnahmen in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden ergreifen“, sagt Olaf Jastrob – etwa durch Zugangsmanagement, personelle Sicherheitsmaßnahmen und bauliche Absicherungen.
Komplexe Herausforderungen
„Sicherheitsmanagement bei Veranstaltungen bedeutet heute, den Blick für das große Ganze zu haben: Gefahren erkennen, Risiken systematisch bewerten – und auf allen Ebenen resilient aufgestellt zu sein“, so der Sicherheitsexperte. Die Herausforderungen für Veranstalter unterscheiden sich dabei je nach Größe des Events deutlich. Besonders kritisch sieht er den Bereich zwischen 200 und 1.000 BesucherInnen: „Sie sind zu groß für bloßes Improvisieren, aber zu klein, um systematisch geplant zu werden.“ Oft fehlten professionelle Strukturen und geschultes Personal. Auch die Zuständigkeiten für Fluchtwege oder Brandschutz in Mehrzweckhallen, Kulturhäuser oder Veranstaltungszentren seien häufig unklar.
Bei Großveranstaltungen ab 1.000 BesucherInnen wird es noch komplexer. Hier müssen verschiedenste Akteure koordiniert wer- den – von VeranstalterInnen über Technik bis zu Behörden. „Das erfordert strukturierte Kommunikation und regelmäßig geschultes Personal“, betont Olaf Jastrob. Besonders im öffentlichen Raum ergeben sich weitere Herausforderungen wie etwa die Steuerung von Personenströmen in einem nicht kontrollierbaren Umfeld.
Föderaler Flickenteppich
Was erschwerend hinzu kommt ist, dass die rechtlichen Grundlagen für Veranstaltungssicherheit in Deutschland alles andere als einheitlich sind. Bestehende Vorgaben für Sicherheitsvorkehrungen basieren unter anderem auf der Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättVO), die als Empfehlung für die Länder gilt. Das heißt: Jedes Bundesland hat daraus seine eigenen Regelungen entwickelt. Was in Hamburg gilt, kann in Bayern schon wieder völlig anders aussehen. Auch für Großveranstaltungen unter freiem Himmel, die größtenteils nicht unter die jeweilige VStättVO fallen, gibt es verschiedene Leitlinien und Checklisten pro Bundesland.
Ein bundeseinheitliches Veranstaltungssicherheitsgesetz wird aufgrund dieses Regelwirrwarrs immer wieder diskutiert, ist bis heute allerdings nie konkret geworden. Der Deutsche Expertenrat Besuchersicherheit hält es inzwischen für dringend erforderlich. „Die Vielzahl unterschiedlicher Vorgaben auf Länder- oder kommunaler Ebene führt zu enormen Unterschieden in der Sicherheitsqualität und zu einem regelrechten Wildwuchs an Auslegungen und Zuständigkeiten“, macht Olaf Jastrob deutlich. Ein bundesweites Gesetz würde nicht nur Rechtssicherheit schaffen und Verfahren vereinfachen, sondern auch Verantwortlichkeiten klar regeln und Sicherheitslücken systematisch schließen.
Gemeinsame Anstrengung
Bezüglich der Ausarbeitung des Gesetzes hat der DEB bereits konkrete Vorschläge parat. Wichtigste Voraussetzung: alle relevanten Akteure müssten von Anfang an in den Prozess eingebunden werden. „Ein Gesetz für Veranstaltungssicherheit, das praxisnah, wirksam und akzeptiert sein soll, kann nicht im stillen Kämmerlein eines Ministeriums entstehen“, sagt Olaf Jastrob. Es sollte also gemeinsam mit den relevanten Akteuren entwickelt werden – mit Branchenverbänden, Fachgremien, Sachverständigen, VeranstalterInnen, Sicherheitsdienstleistern, Rettungsorganisationen, BetreiberInnen, kommunalen Ordnungsbehörden und den Besuchervertretungen. Für die Umsetzung sei ein mehrstufiges Kontrollsystem denkbar, das Sicherheitsnachweise bei der Genehmigung, behördliche Stichproben und Zertifizierungspflichten für sicherheitsrelevante Positionen beinhaltet. Bei Verstößen sollen differenzierte Strafen drohen, von verhältnismäßigen Bußgeldern im wirtschaftlichen Rahmen der Veranstaltung bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen.
„Ein bundeseinheitliches Veranstaltungssicherheitsgesetz ist keine Belastung – es ist eine notwendige Entlastung“, fasst Olaf Jastrob die Position des DEB zusammen. „Es bringt Klarheit, sorgt für Verlässlichkeit und stellt sicher, dass Sicherheit nicht vom Ort, sondern vom Standard abhängt. Wir brauchen diesen nächsten Schritt – nicht irgendwann, sondern jetzt.“
Johanna Palmu