Zum ersten Mal gibt es einen umfassenden Überblick darüber, wie es um Diversität und Inklusion (DEI) in der deutschen Veranstaltungsbranche steht. Der „Diversitäts- Report 2025“, eine gemeinsame Studie von fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft e.V. und dem R.I.F.E.L. e.V., macht deutlich: Das Bewusstsein ist da, doch in der Praxis bleibt noch ordentlich Luft nach oben.
KundInnen fordern mehr Barrierefreiheit
Die Studie, für die GeschäftsführerInnen von Unternehmen aus allen Bereichen der Veranstaltungswirtschaft befragt wurden, zeigt eine Branche im Umbruch. Ein wesentlicher Impuls für Veränderungen kommt von den KundInnen: Ihre Anforderungen gehen inzwischen weit über genderneutrale Sprache hinaus. Physische und digitale Barrierefreiheit rücken zunehmend in den Fokus. Auch die Mehrsprachigkeit von Veranstaltungen, etwa durch den Einsatz von GebärdendolmetscherInnen, wird verstärkt nachgefragt. Mit dem neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das im Juni in Kraft getreten ist, erhält diese Entwicklung zusätzlichen Schub.
Zwischen Theorie und Praxis
Doch die Studie macht eine bemerkenswerte Schieflage in der Wahrnehmung von Diversität und Inklusion deutlich. Nur 30% der befragten Unternehmen messen dem Thema Inklusion eine hohe Relevanz bei. Und während die Unternehmen bestimmten Aspekten große Aufmerksamkeit schenken, bleiben andere im Hintergrund: Geschlecht, Alter und ethnische Herkunft dominieren die Diskussion und prägen die Diversitätsstrategien der meisten Firmen. Aber gerade Faktoren, die für echte Inklusion entscheidend wären, finden weniger Beachtung: Religion, Weltanschauung sowie körperliche und mentale Behinderungen spielen oft nur eine untergeordnete Rolle.
„Diversität ist heute ein Selbstverständnis, Inklusion der proaktive Umgang damit“, erklärt Prof. Dr. Cornelia Zanger, Leiterin der Studie. „Für die Veranstaltungswirtschaft heißt das, Vielfalt sichtbar zu machen und aktiv zu leben – in Unternehmenskultur, Führung und Eventgestaltung. Die Studie zeigt klar, dass hier noch Nachholbedarf besteht.“
Diversitätsmanagement: Bekannt, aber selten praktiziert
Diese Kluft zwischen Theorie und Praxis wird besonders deutlich beim Thema Diversitätsmanagement. Obwohl die Bedeutung von Diversitätsbeauftragten und entsprechenden Schulungsprogrammen weithin bekannt ist, setzt nur ein Bruchteil der Unternehmen diese Maßnahmen tatsächlich um.
Und es hapert bei der praktischen Umsetzung von DEI-Maßnahmen: Viele Unternehmen kennen zwar die verschiedenen Möglichkeiten zur Förderung von Diversität und Inklusion. Doch während flexible Arbeitszeiten und Mentoring-Programme bereits gut etabliert sind, werden innovativere Ansätze wie Job-Sharing oder Diversitätsschulungen trotz erwiesener Wirksamkeit noch zu selten umgesetzt.
Fehlende Strategie
Auch zeigen sich Defizite bei der systematischen Verankerung von DEI in den Unternehmensstrukturen. Zwar hat die Hälfte der befragten Organisationen konkrete Ziele formuliert, aber wenige Unternehmen verfügen über eine ausgearbeitete Strategie oder messen ihre Fortschritte anhand definierter Kennzahlen. Regelmäßiges Reporting zu DEI-Themen ist bisher die Ausnahme.
Gerade diese mangelnde strategische Verankerung könnte ein Grund dafür sein, warum viele gut gemeinte Initiativen im Sande verlaufen. Denn ohne klare Ziele, Messgrößen und Verantwortlichkeiten bleibt DEI ein Lippenbekenntnis – ohne wirkliche Auswirkungen auf den Unternehmensalltag.
Zweite Studienphase folgt
Der aktuelle Report markiert jedoch erst den Auftakt einer weiteren umfassenderen Untersuchung: Im Herbst 2025 folgt eine zweite Studienphase, die sich auf die Perspektive der Mitarbeitenden konzentriert.
Auf Basis beider Befragungen sollen dann praxisnahe Handlungsempfehlungen entwickelt werden, um den branchenweiten Dialog zu DEI weiter zu vertiefen.
Die Botschaft ist klar: Die Veranstaltungsbranche muss den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen – und die bereits vorhandenen Ansätze und Lösungen vom Papier in die Realität holen.
Johanna Palmu