Engagement. „Bundesweit gibt es rund 22.748 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Allein 2018 wurden 554 neue Stiftungen gegründet“, sagt Birgit Radow, stellvertretende Generalsekretärin des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, der den Deutschen Stiftungstag vom 4. bis 6. Juni 2019 im Congress Center Rosengarten Mannheim mitgestaltet hat. Rund 2.000 Delegierte kommen zu der Veranstaltung mit dem Motto „Unsere Demokratie“. Das Thema ergibt sich aus den Jubiläen von 100 Jahren Frauenwahlrecht, 70 Jahren Grundgesetz und 30 Jahren Mauerfall.
Anlässlich des Deutschen Stiftungstags 2019 startet der „Förderfondfs Demokratie“. Ausgestattet mit einem von acht Stiftungen bereitgestellten Startbetrag von zunächst 825.000 Euro, will der Fonds den Herausforderungen und Bedrohungen, denen die Demokratie in Europa und Deutschland ausgesetzt ist, begegnen. „Mannheim, als Stadt von den Kurfürsten gestiftet, liegt an der Straße der Demokratie, wo 1848 die Märzforderungen von der Mannheimer Volksversammlung formuliert wurden. Zudem hat die Metropolregion Rhein-Neckar eine hohe Dichte an Stiftungen“, so Mannheims Erster Bürgermeister Christian Specht bei der Eröffnung. Zehn von 100 börsennotierten DAX-Unternehmen sind in der Metropolregion zu Hause.
„Trotz der hohen Dichte an Stiftungen hier in der Region haben sie bislang in unserem Veranstaltungs-Mix keine große Rolle gespielt. Im Kontext der Finanzierung von Medizinkongressen werden sie künftig deutlich mehr Relevanz haben. Da ist ein Trend“, sagt der gastgebende Geschäftsführer des Congress Centers Rosengarten Mannheim Bastian Fiedler. Für die geplante Erweiterung des Hauses um einen zusätzlichen Saal über dem Musensaal à 600 qm, teilbar in fünf Räume, soll der Gemeinderat im Spätjahr 2019 grünes Licht geben.
Dem Wunsch der Veranstalter, offene Foren für Kommunikation zu schaffen, entspricht das Congress Center Rosengarten mit zahlreichen Sitzecken in lichten Foyers optimal. Den Trend zur Festivalisierung von Veranstaltungen sieht Bastian Fiedler damit einmal mehr bestätigt.
Die Lage in Europa nehmen mehrere Stiftungstag-Panels in den Blick. Das Donors and Foundation Network Europe (DAFNE) sucht, zwei Wochen nach der Europawahl, den Weg „vom Europa der Institutionen zum Europa der Bürger“. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen fragt direkt: „Denk ich an Deutschland – wo steht unser Land?“. Für den Arzt und Buchautor Eckart von Hirschhausen krankt das Land am selbstverordneten Wachstum. Krebs mit dramatischen Folgen ist das Bild, das die Zuhörer wachrüttelt.
Ein Anteil von 95 Prozent aller Stiftungen in Deutschland verfolgt gemeinnützige Zwecke und agiert nach Grundsätzen zur Selbstverpflichtung. Da Stiftungen aus Erträgen, nicht aus dem Vermögen heraus agieren, ist der Finanzdruck groß. Finanzplanung und Fundraising sind deshalb Themen, die beim Stiftungstag 2019 engagiert debattiert werden.
Wie es um die On- und Offline-Debattenkultur steht, eruiert die Gemeinnützige Hertie-Stiftung. Dass sie hier einen Nerv trifft, beweist das randvolle Auditorium, das der Referentin Marina Weisband gebannt lauscht. Die frühere politische Geschäftsführerin der Piratenpartei macht sich für „liquid democracy“ im Sinne global vernetzter Kommunen stark. „Die digitalen Medien machen uns mündiger und helfen uns dabei, den Diskurs zu strukturieren“, ist sie überzeugt.
Die von der Körber-Stiftung initiierte Podiumsdiskussion über die „Rentnerdemokratie“ fragt ebenfalls nach dem Verhältnis von Digitalisierung und Demokratie. Julian Nida-Rümelin spricht sich für mehr bürgerschaftliches Engagement aus, ist jedoch kritisch gegenüber digitaler Blasenbildung. „Die Twitter-Kommunikation spricht die Leute an, die ohnehin gleicher Meinung sind“, so der frühere Kultur-Staatsminister.
Das Veranstaltungsvolumen der Stiftungen ist verschieden. „Wir haben sehr viele Tagungen, die allerdings eher selten in Kongresszentren wie Rosengarten oder Darmstadtium stattfinden“, sagt Daniela Kobelt-Neuhaus, stellvertretende Vorstandsvorsitzende im Bundesverband Deutscher Stiftungen. Sie ist Vorstandsmitglied der Karl-Kübel-Stiftung Bensheim, die sich nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ weltweit für Chancengleichheit und Partizipation in Kindererziehung und Bildung einsetzt.
Das Darmstadtium war am 21. März 2019 Schauplatz der Vergabe des Preises „Darmstädter Impuls“, den die Entega Stiftung für besonderes bürgerschaftliches Engagement vergibt. Der Darmstädter Energieversorger, der ein Selbstverständnis als Klima-Dienstleister hat, würdigt 2019 die Arbeit des Klimaforschers Professor Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Einen Fokus auf Veranstaltungen hat die Schader Stiftung. Vor 30 Jahren von dem Bauingenieur Alois M. Schader gegründet, hat sie in ihrem Zentrum in Darmstadt jährlich 50 Events zu Gast, zwei davon mit 400 Teilnehmern. „Multifunktionale Orte: Dialog zur Entwicklung neuer Zentren am Rand“ war hier das Thema eines öffentlichen Diskussionsabends am 13. Juni 2019.
Ein echtes Schwergewicht für die Meeting-Industrie ist die Robert Bosch Stiftung, die mit ihren Veranstaltungen große Zentren bucht und professionelles Veranstaltungsmanagement im eigenen Haus betreibt. 2018 hat die Stiftung 153 Mio. Euro für gemeinnützige Projekte aufgewandt. Gemeinsam mit der Falling Walls Foundation hat sie das Format „Falling Walls Engage“ zum internationalen Austausch über Wissenschaftsvermittlung ins Leben gerufen.
Die älteste wissenschaftliche Stiftung Deutschlands ist die 1889 gegründete Carl-Zeiss-Stiftung. Ihre Tagungen fänden meistens in wissenschaftlichen Einrichtungen statt, sagt Stiftungsreferentin Vanessa Marquardt. Dividenden der Stiftungsunternehmen Carl Zeiss AG und Schott AG kommen der Forschung und Lehre im MINT-Sektor zugute. Derzeit ermöglicht die Stiftung den Aufbau eines Transferzentrums für Digitalisierung in der Gesundheitsindustrie an der Hochschule Mannheim. Der nächste Deutsche Stiftungstag findet vom 17. bis 19. Juni 2020 in Leipzig statt.