David Friedrich-Schmidt, Geschäftsführer Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
Ich habe mit 20 meine Ausbildung in der Veranstaltungswirtschaft beendet. Das ist mittlerweile über 20 Jahre her (Sagen Sie jetzt nichts!). Meine Generation war begeistert, hat sich mit Leidenschaft allen Herausforderungen gestellt.
Unsere Aufgaben haben wir akkurat erfüllt, auch wenn es sich nur um die Aufnahme einer Kongressanmeldung in die Datenbank handelte. Wir haben fünf, manchmal sechs Tage pro Woche gearbeitet, das ein oder andere Mal mehr als 60 Stunden. Wir hatten eine Menge Spaß und am Ende ein tolles Event. Ein Großteil meines Rüstzeugs habe ich in dieser frühen Phase meiner Berufstätigkeit erhalten. Davon profitiere ich noch heute.
Ich will die Zeit nicht glorifizieren; die Bezahlung war mies und 60 Stunden in der Woche sind nicht optimal. Ein Extrem und gut, dass sich das über die Jahre reguliert hat.
Heute erleben wir aber ein anderes Extrem und es bereitet mir Sorgen: Bei mir sitzen junge BewerberInnen, keine oder minimale Berufserfahrung, aber eine Liste von Wünschen und Forderungen, bei der es mir teilweise schwindelig wird. Teilzeit, Homeoffice, Sabbatical, Benefits und ein Einstiegsgehalt, welches in dieser Phase nicht angemessen ist. Dazu Vorstellungen vom Arbeits- und Verantwortungsbereich, wo schnell klar ist: Die Schuhe sind einige Nummern zu groß.
Wir haben einen Fachkräftemangel und müssen um die besten Talente werben. Und es gibt sie, die begeisterten, engagierten und leidenschaftlichen Youngsters. Es gibt aber auch die mit den kleinen Füßen und sie sind viel. Wie gelingt es, bei ihnen das Feuer für unsere Branche zu entfachen oder müssen wir radikal anders denken?
Amin, was meinst Du?
Amin Guellil ist Geschäftsführer der uCastMe GmbH
Als CEO und Teil der Generation Y sehe ich den Generationenkonflikt aus beiden Perspektiven und muss sagen: Ich bin besorgt. Millennials haben extreme Ansprüche, doch sie sind nicht in der Lage, ihren Erwartungen gerecht zu werden. Resultat: Burnouts, Unzufriedenheit, mangelnde Resilienz und Konflikte mit ArbeitgeberInnen. Mehrere Jobs in kurzer Zeit sind inzwischen normal.
Dieses Phänomen hat mehrere Ursachen. Eine davon: Erziehung. Millennials wurden überbehütet, hatten viele Freiheiten, ohne Verantwortung zu übernehmen. Diese Erwartung überträgt sich in die Arbeitswelt, wo junge MitarbeiterInnen Autonomie erwarten, ohne verantwortlich zu sein. Ich erlebe öfter, dass Eltern sogar noch für ihre Anfang 20-jährigen Kinder anrufen, um Dinge zu regeln.
Auch das Bildungssystem spielt eine Rolle: Es belohnt immer mehr SchülerInnen mit guten Noten und Abschlüssen, unabhängig von ihrer tatsächlichen Leistung. Die Zahl der 1,0-AbiturientInnen hat sich in 10 Jahren verdoppelt. Das führt zu einem irreführenden Anspruch bei jungen Menschen, die glauben, dass sie unabhängig von ihren Fähigkeiten und Leistungen gut bezahlte Jobs verdienen.
Der Generationenkonflikt ist keine Einbahnstraße: Herausforderungen und Erwartungen gibt es auf beiden Seiten. Die Älteren erwarten Loyalität, harte Arbeit und Engagement von der jüngeren Generation, während es bei ihr Flexibilität, Autonomie und Work-Life-Balance sind. Es ist wichtig, eine Balance zwischen den Bedürfnissen des Unternehmens und der Erfüllung der Erwartungen der neuen Generation zu finden.
Die Jungen müssen verstehen, dass sie sich ihren Platz in der Arbeitswelt verdienen müssen und nicht erwarten können, dass alles auf einem Silbertablett serviert wird. Denn der nächste Knall droht schon: Die Wunschjobs der neuen Generation drohen eines der Hauptopfer der rasanten Entwicklung von KI zu werden. Wenn ArbeitgeberInnen Tätigkeiten vor lauter Frust an die KI abgeben, woher kommt dann der Nachwuchs?