Umschwung. Virales Marketing, papierlose Konferenzen und Event-Apps – der digitale Wandel bestimmt das Tagungsgeschehen. Das wirkt sich auch auf klassische Verbandsstrukturen aus. Das Ergebnis der Jahresumfrage des „Verbändereports“ zu den Trends 2019 zeigt, dass die Aufgaben der Digitalisierung für die Organisationen im Mittelpunkt stehen. „Verbände müssen bei der digitalen Transformation als Impulstreiber und Plattformgeber für Wissenstransfer zwischen Lehre und Praxis, zwischen Traditionsunternehmen und Start-ups und zwischen IT-Anbietern und -Anwendern aufgestellt sein“, hält etwa Dirk Widuch vom Unternehmerverband Südhessen fest.
So stellt auch der verbaende.com-Infotag die Frage: „Digitalisierung von Veranstaltungen – Mehrwert oder Spielerei?“. Initiiert von der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement (DGVM), findet das Treffen im Juni zum dritten Mal statt. Im Estrel Berlin sind 600 Fachbesucher zu Gast.
Während 80 Ausstellungspartner ihre neuesten Technologien und Projekte präsentieren, beschäftigen sich die Teilnehmer in über 20 Sessions mit aktuellen Anforderungen. „Diese sind im Grunde genommen die gleichen wie vor zehn Jahren“, weiß DGVM-Geschäftsführer Wolfgang Lietzau. „Nämlich permanent neue Ideen, Formate und Programme zu entwickeln, um Mitglieder und Stakeholder in die Veranstaltungen zu locken.“ Die Digitalisierung sieht Lietzau dabei „nicht als Herausforderung, sondern als Chance.“
Stolpersteine, die der digitale Wandel mit sich bringt, rücken am Infotag dennoch in den Fokus. Bei der „Fuck Up Night“ wird Klartext geredet: Was passiert, wenn Innovationen und frische Technologien in der Praxis nicht funktionieren? Bielefeld-Marketing-Leiterin Gabriela Lamm berichtet von dem Versuch, ein neues Format anzubieten. „Wir haben die Leute nicht richtig gebrieft und schlussendlich überfordert“, stellt sie fest. „Wir können unsere Angebote nicht einfach von einem auf das andere Jahr umstellen.“
Annette Ebert vom Deutschen Tiefkühlinstitut hat ähnliche Erfahrungen gemacht. In ihrem Verband gab es die Idee einer Veranstaltungs-App für Jahrestagungen. „Wir sind dann aber zum Schluss gekommen, dass unsere Zielgruppe so etwas kaum nutzen würde“, sagt sie. „Wir haben festgestellt, dass es für uns einfach noch zu früh ist.“ Trotzdem ist sie der Meinung: Wer mit der Zeit gehen will, darf das Thema Digitalisierung nicht ignorieren.
Dazu gehört nicht zuletzt, Social Media in die Kommunikation einzubinden, macht Tim Richter vom Deutschen Verbände Forum deutlich. Gerade LinkedIn eigne sich bestens für das Teilen von Branchen- und Fachinformationen. – Verbände sollten die Plattform mehr nutzen. Über die Relevanz der Online-Netzwerke sind sich die Zuhörer am Ende seiner Präsentation einig. Offen bleibt die Frage, wie das Bespielen der Kanäle zusätzlich zu den täglichen Aufgaben bewältigt werden kann.
Für angeregte Diskussionen sorgt auch der Vortrag des scheidenden AUMA-Hauptgeschäftsführers Dr. Peter Neven. „Digital war gestern“ steht auf dem Plakat, das er gleich zu Beginn demonstrativ in die Höhe hält. Er spricht über „analoge Kommunikationsplattformen in einer digitalen Welt“. Selbst wenn derzeit Fachmessen der Vertikalisierung zum Opfer fielen, bleibe die reale Begegnung auch in Zukunft essenziell. Seine abschließenden Worte sind zuversichtlich: „Einen Händedruck auf Messen kann man nicht ersetzen.“
Ihre Vision davon, wie Verbände Veranstaltungen gestalten sollten, teilen GCB-Geschäftsführer Matthias Schultze und Dr. Christina Buttler, Director Strategy & Innovation MCI Germany. Teilnehmer werden immer jünger, weiblicher, technik- und digitalaffiner. Hybride Formate wachsen. „Smartes“ Kongressmanagement per Gesichtserkennung, neue Raumkonzepte oder virtuelle Anteile am Geschehen seien daher künftige Erfolgsfaktoren, betonen beide.
Oliver Fink, Gründer des Beratungsunternehmens Fink Different, beurteilt den Wandel im Tagungsgeschehen ähnlich. „Die Digitalisierung hat interessanterweise bewirkt, dass der Mensch und sein individuelles Erlebnis im Mittelpunkt stehen“, erklärt er den Verbandsplanern. Bei Veranstaltungen sollte genau das beherzigt werden. Events partizipativer zu gestalten, setze allerdings auch einen partizipativen Führungsstil voraus, richtet sich Fink an die Entscheider: „Führen heißt zuerst ‘more pepper and less paper’. – Gehen Sie Ihrem Team aus dem Weg, damit erstklassige Events möglich werden.“