Zenit noch nicht erreicht

Mittwoch, 25.09.2019

Florian Krug, stellvertretender Leiter Veranstaltungsmanagement der Universität Wien, über das Problemfeld Fake-Konferenzen, den Umgang damit und die Herausforderungen für die Branche.

CIM: Herr Krug, was sind denn bitte „Fake-Konferenzen“?
Florian Krug: Bei wissenschaftlichen Tagungen werden sie als „Fake-“, „Scam-“, „Predatory-“ oder „Junk-“Kongresse bezeichnet, zwei Typen gibt es nun . Erstens: gefälschte Events. Ein Straftatbestand, da Teilnahmegebühren erhoben werden, aber das Event nicht stattfindet und der Veranstalter nicht auffindbar ist.
Häufiger: Seriös erscheinende Tagungen, die grundlegende Leistungen nicht erfüllen. Website, Beschreibung und Anmeldung wirken professionell. Oftmals sind sie schlecht organisiert, teuer und die wissenschaftliche Qualität ist mangelhaft. Leidtragende sind zunächst geprellte Teilnehmer, oft unerfahrene Jungwissenschaftler oder Studierende, bei denen Geld knapp ist. Aus Sicht der Uni, der Location, ist es primär ein enormer Imageschaden.

Was tun Sie, um diesen Imageschaden abzuwenden?
Sauber differenzieren zwischen potenziell reputationsschädliche Anfragen und solchen, die sich in mutmaßlich betrügerischer Absicht an renommierte Institutionen richten. Erstere beschäftigen uns leider schon immer, zumal die Einschätzung des wissenschaftlichen Werts zumeist beim Betrachter liegt. Fake-Konferenzen sind neu und somit die Ausnahme. Nicht auszuschließen, dass uns bei über 1.500 Events jährlich das eine oder andere nichtseriöse Event unwissentlich „reingerutscht“ ist.

Was macht denn das Differenzieren so schwierig?
Es ist erstaunlich, wie viel betrügerische Energie in das professionelle Erscheinungsbild dieser Events fließt. Häufig erinnern Konferenz- und Veranstaltername an etablierte Organisationen und Kongresse. Auf der Profi-Website werden auch bekannte Namen aus den Fachbereichen strategisch günstig deponiert, obwohl diese nicht mal angefragt wurden. Wir müssen tief graben, um etwas über das eigentliche Ziel und die Verantwortlichen zu erfahren.

Geben Sie uns doch ein Fallbeispiel, mit dem Sie es zu tun hatten.
Aktuell: Eine eintägige, wissenschaftliche Konferenz mit 50 Gästen, für die im Januar 2019 von einem Veranstalter mit Sitz im Baltikum für Juni 2019 angefragt wurde. Nach routinemäßiger Überprüfung kam es zum Vertrag. Zweifel an der Seriosität kamen auf, als ein Professor der Uni Wien uns seine Bedenken mitteilte. Er wurde als Keynote-Speaker angefragt. Hier war es lediglich ein Verdacht. Später wandte sich eine Studentin mit Fragen zur Anmeldung für einen dreitägigen Kongress am selben Ort, zur selben Zeit, aber mit abweichendem Titel, Inhalt und Laufzeit an uns; da läuteten die Alarmglocken. Die Inhalte wurden getauscht. Die beiden, nicht kommunizierten, Tage sollten mit einem Social-Programm und Webinaren gefüllt werden.

Kaum zu glauben. Wie konnten Sie den Schaden abwenden?
Der Veranstalter hat sich ein Bein gestellt, da die Änderung von Titel und Inhalt der Konferenz dem Vertrag die Grundlage ent­zogen hat. Wir konnten so die Verein­barung für nichtig erklären.

Welche Konsequenzen haben Sie gezogen?
Die Kontrollmechanismen sind dieselben. Wir sind noch wachsamer, die Aktivitäten dieser „Fake-Science-Conference-Industry“ haben ihren Zenit wohl noch lange nicht erreicht.

Würden Peer-Reviews seitens der Branchenverbände helfen?
Ein branchenweiter Austausch zu Fake-Conventions ist das Wichtigste und einzig Wirksame, diese Entwicklungen zu stoppen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich das Durchführen von Peer-Reviews als Werkzeug zur Bekämpfung von Scheinkonferenzen bewähren kann. In jedem Fall sollte den Verbänden eine übergeordnete, organisatorische Rolle zukommen, um mit den internationalen wissenschaftlichen Fachverbänden zu kooperieren.

Herzlichen Dank, Herr Krug!

 

Katrin Schmitt