CIM: Herr Lohmann, zu Live-Events reisen in der Regel jede Menge Leute an, die dann auch verköstigt und bespaßt werden müssen. Kann das überhaupt nachhaltig sein?
Stefan Lohmann: Die Antwort ist ganz einfach: Es muss nachhaltig sein. Der Weltklimarat der United Nations hat im IPCC Bericht ganz deutlich gemacht, dass wir nur noch etwa zehn Jahre Zeit haben, um das Schlimmste zu verhindern, so dass unsere Welt lebenswert bleibt. Jedes nicht-nachhaltige Event ist somit ein weiterer Sargnagel für unsere Branche und beschleunigt den Klimawandel.
Dann mal konkreter gefragt: Was kann man besser machen?
Man muss das Thema von Anfang an ganz automatisch mitdenken. Jeder, der eine Veranstaltung organisiert, fragt sich im ersten Schritt ja, welche Art Event er sich vorstellt. Der zweite Schritt muss dann sein, sich zu überlegen, wie man das CO2-neutral und nachhaltig hinbekommt. Die Frage ist also nicht ob, sondern wie. Bei der Wahl der Location kann jeder vorab nachfragen, ob diese mit Ökostrom versorgt wird und ein nachhaltiges Abfallkonzept hat. Falls nicht: Sorry, aber dann muss man sich für eine andere Location entscheiden. Das gleiche gilt für die Caterer. Arbeiten sie klimaneutral, verwenden sie regionale Bio-Lebensmittel? Dann kann man sie buchen. Wenn nicht, dann nimmt man einen anderen, der das kann.
Der größte Anteil an CO2-Emissionen bei einem Event fällt bei der Anreise der TeilnehmerInnen an. Wie kann man hier als Veranstalter Einfluss nehmen?
Indem man als Gastgeber konsequent auf nachhaltige Kommunikation setzt, um unter anderem auf öffentliche Verkehrsmittel hinzuweisen. Auch das Veranstaltungsticket der Deutschen Bahn funktioniert wunderbar und sollte ganz automatisch immer angeboten werden. TeilnehmerInnen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad kommen, könnten als Dankeschön ein kreatives Goodie erhalten. Bei Events irgendwo außerhalb der Stadt können Co2-freie Shuttles zum Einsatz kommen. Man muss ab dem Ticketkauf deutlich kommunizieren, dass die Veranstaltung nachhaltig ist und warum und wie der Gast Teil der Lösung werden sollte und kann.
Gut, nun sind die Leute angereist. Wie geht es dann weiter?
Auf der Veranstaltung selbst sollte man alle Arten von Energie- und Ressourcenverschwendung vermeiden. Also: Kein Einweg-Geschirr, keine Wasserflaschen aus Plastik, keine unnötigen Ausdrucke auf Papier, wenn es auch eine mit Ökostrom betriebene digitale Lösung gibt. Wer Merchandise-Artikel ausgibt, kann auch hier auf die entsprechenden Öko- und Fairtrade-Siegel achten. Zudem sollten die TeilnehmerInnen wenn möglich in der Nähe in nachhaltigen Hotels übernachten, um lange Transportwege zu vermeiden.
Das klingt in der Summe aber ganz schön mühsam…
Sorry, aber jeder von uns trägt hier eine Verantwortung und wir haben keine Zeit mehr, so weiterzumachen wie bisher. Mal ganz davon abgesehen, dass es ein Klimaschutzgesetz gibt, das die Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 garantiert. Nachhaltig zu wirtschaften ist per Gesetz die einzige zukunftsfähige Art in Deutschland und ganz Europa.
Stehen digitale oder hybride Events in Sachen Nachhaltigkeit eigentlich besser da? Da fällt ja immerhin schon mal ganz oder teilweise die An- und Abreise weg.
Jedes Event muss klimaneutral oder klimapositiv werden, da sehe ich gar keinen Unterschied. Auch bei Events, die ausschließlich digital stattfinden, fallen Emissionen an, die ausgeglichen werden müssen. Unter sustainable-event-solutions.de gibt es einen 13 Punkte umfassenden Leitfaden, wie man seine Veranstaltungen möglichst nachhaltig gestalten kann. Außerdem finden sich genügend professionelle BeraterInnen für genau diese Fragen. Die Event-Branche muss langsam verstehen, dass die Transformation unumgänglich ist und man sein Geld im Hinblick auf die Zukunft nicht besser investieren kann.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass Veranstaltungen tatsächlich in nächster Zeit klimaneutral werden können?
Puh, gute Frage! Optimistisch stimmt mich, dass diese Branche ja sehr kreativ ist – und darauf getrimmt, für jedes Problem Lösungen zu finden. Auch die Impfkampagne wäre sicher anders gelaufen, wenn man Profis aus der Veranstaltungsbranche damit beauftragt hätte. Deshalb könnten wir Nachhaltigkeits-Vorreiter für andere Bereiche in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sein. Wir müssen Events nicht nur weniger schlecht, sondern richtig gut machen und damit vom Problem zum Teil der Lösung werden.
Vielen Dank für das Interview, Stefan Lohmann!