Marc Mundstock: „Die Pandemie hat nichts verändert“

Donnerstag, 10.11.2022

CIM-Autor David Friedrich-Schmidt hat für diese Kolumne AXICA-Chef Marc Mundstock als Gesprächspartner angefragt. Mundstock schickte unten stehenden Text – und der spiegelt die Beobachtungen von Friedrich-Schmidt derart genau wider, dass er keine Contra-Position einnehmen konnte. Deshalb weichen wir diesmal von der Form Rede / Gegenrede ab und wünschen: viel Freude beim Lesen!

Pandemie: Nichts hat sich verändert und wir stehen dort, wo wir schon vor Jahren begonnen haben, hinzusteuern.

Ich kann die Perspektive unserer Gäste nicht einnehmen, ich weiß aber, dass nur eines zählt: nachhaltige Begegnungen. Nicht die, die man sofort vergisst, sondern die, die bleiben: Die Bedeutung der Begegnung. Aus der Perspektive eines Gastgebers sage ich (nicht) gern Folgendes: Die Corona-Krise war das Schlimmste für unsere Branche, unser Unternehmen und unsere Mitarbeitenden (und unsere Gesellschaft), was hätte passieren können! Weil es eben keine wirkliche Krise und nicht der erhoffte (positive) Katalysator war, welchen ich mir erhofft hatte.

Nach und nach sind wir in die apathische Haltung verfallen, die uns hat abwarten lassen, bis sich der Status Quo von vor der Krise wieder einstellt.

Als es wieder losging, war das Aufatmen groß. Alles war wieder da: Volle Büros, hektische Abläufe, keine Struktur, kein Verständnis untereinander, fehlende NEUE Ideen, falsche Produkte und die gleichen lahmen Ausreden. Wie weggewischt, die Ideen von gelingenden Beziehungen im Team und nach dem Sinn dessen, was man tut.

Ich habe Corona als Chance begriffen, die Schubladen aufgemacht und versucht, all die Dinge umzusetzen, die darin schlummern: Produkte, transparente Preispolitik, Werte, Vision, Mission, Unternehmenskultur, Prozesse, Zukunftssicherung, Zu- kunftsfähigkeit. Wir haben unfassbar viel versucht, sind zwischen Motivation und Gestaltung gependelt – um festzustellen, dass wir vor der nicht stattgefundenen Krise versagt haben. Nicht nur ich als Führungskraft, wir, als Unternehmen, und dazu gehören auch die MitarbeiterInnen, als Branche, die nach jahrzehntelanger Ausbeuterei und dem sich gegenseitig Unterbieten „wert“-loser Arbeit plötzlich in Richtung derer empört aufschreit, denen sie Tag für Tag billig teure Arbeit hinterhergeworfen hat.

Wir hatten keine Struktur, die uns durch eine Krise geführt hätte: Wir waren nicht vorbereitet, wir hatten Ideen wie Menschen, die vor der Rente sagen: „Wenn ich dann in Rente bin, dann mache ich…“, kaum in Rente, wird dann gestorben. Wir hatten Angst zu handeln, weil wir uns erzogen haben, dass den Status Quo infrage zu stellen, etwas Persönliches ist. Und das tut man doch, bei allem Respekt untereinander, nicht.

Wie alle anderen Unternehmen haben wir darauf vertraut, dass nach der Pandemie die Uhren wieder auf den 10. März 2020 gestellt werden.

Zukunftsgestaltung / -fähigkeit wurde mit massenhaft Geld erstickt, wie ein Feuer mit einem nassen Laken, dabei brennen uns die Themen doch seit Jahren auf der Seele:

Wir haben einen Status Quo alter Probleme in neuem Gewand gesichert. Nun muss das Gewand gänzlich neu geschneidert werden. Legen wir bitte damit einfach los: Wertvoll sind die Branchen, die sich einen Wert geben.

Jetzt!

Marc Mundstock