Matthias Schultze, Managing Director, GCB German Convention Bureau e.V.
Carly Fiorina, ehemalige CEO von HP, hat einmal gesagt: „Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert“. Diese Meinung teile ich und bin überzeugt, dass die Digitalisierung für die Veranstaltungswelt gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel und Personalengpässe vielfältige Chancen eröffnet – sowohl bei Prozessen im Hintergrund als auch bei Dienstleistungen für KundInnen und VeranstaltungsteilnehmerInnen.
Anwendungen der Plattformökonomie, hoch entwickelte KI oder Projekte wie Open Data erfordern zwar eine hohe Digitalkompetenz der MitarbeiterInnen. Gleichzeitig erschaffen sie aber auch einen enormen Möglichkeitsraum, um Kraft- und Zeitressourcen einzusparen oder gezielter einzusetzen. Digitalisierung und Automatisierung bedeuten folglich nicht, dass aus unserem „People Business“ ein anonymes IT-Business wird. Ganz im Gegenteil. Die Technologie unterstützt Menschen dabei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und eben jene Aufgaben zu erfüllen, die keine KI auf absehbare Zeit wird übernehmen können: individuell beraten, sich um Gäste kümmern oder kreative Prozesse bei Veranstaltungen in Gang setzen, zum Beispiel.
Und das heißt auch nicht, dass sich die Akteure der Veranstaltungswelt keine Gedanken um attraktive Arbeitsplätze und -bedingungen für das Personal der Zukunft machen müssten. Denn was den Tagungsstandort Deutschland so besonders macht, sind die Menschen – die Digitalisierung ist nur als eines von vielen Instrumenten für mehr Gastfreundschaft zu verstehen und nicht als Ersatzprodukt für das menschliche Miteinander in authentischer Umgebung.
David Friedrich-Schmidt, Geschäftsführer Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
Ich teile die Meinung von Carly Fiorina nur teilweise und würde die Aussage ein wenig präzisieren: „Alles Sinnvolle, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.“ Einfach, weil es viel Zeug und Prozesse gibt, wo Digitalisierung nicht sinnvoll ist oder deren Transformation Ressourcen bei geringem Outcome verschwendet. Ich will nicht die Klima-Keule schwingen, aber mehr Digitalisierung bedeutet auch mehr Rechenzentren und Serverkapazitäten, somit auch einen höheren Energie- und Flächenverbrauch. Wir müssen uns sehr genau überlegen: Ist das notwendig oder kann das weg? Auch das ist gelebte Nachhaltigkeit. Entscheidend bei der Bewertung wird sein, was Matthias ganz richtig formuliert: Die jeweilige Technologie muss den Menschen unterstützen, ihn entlasten, um sich somit auf das Wesentliche konzentrieren zu können.
Um was wir uns neben der Entwicklung von sinnvollen Anwendungen und KI-Modulen schon jetzt dringend kümmern müssen, ist die Erlangung von Digitalkompetenz der Akteure in der Veranstaltungsbranche. Wenn ich da so meine vielen Erlebnisse und Eindrücke der letzten Jahre in Tagungsstätten und Hotels Revue passieren lasse, wird mir ehrlich gesagt ein wenig Angst und Bange. Dann haben wir ganz viel Sinnvolles und nur wenige können damit umgehen.
Von ganz zentraler Bedeutung wird es sein, dass wir die GastgeberInnen bei der Entwicklung mit einbinden, ihnen zuhören und so ihre Kompetenzen mit in die Entwicklung einfließen lassen. Sie machen den Wirklichkeits-Check und können am besten die Frage beantworten: „Ist das notwendig oder kann das weg?“