Mehr Lametta

Montag, 06.12.2021

Daniel Moj ist Co-Founder, CEO und Creative Director des Kölner Start-ups für real-digitale Live-Kommuni­kation und virtuelle Erlebniswelten Neyroo.

CIM: Im Museum ist die passende Zusammenstellung einzelner Kunstwerke hin zum großen Ganzen essenziell. Lässt sich diese Analogie auf die erfolgreiche Planung und Umsetzung eines (Online-)Events über­tragen?

Daniel Moj: Der Begriff „kuratieren“ hilft, die aktuelle Transformation von klassischen Events oder Messen hin zu real-digitalen, virtuellen und hybriden Formaten zu begleiten. Kuratoren gestalten, betreuen und organisieren, wie ein Projektmanager. Aber sie gehen noch viel weiter! Sie setzen Neues, Innovatives und Gewagtes ins rechte Licht und inszenieren Erlebniswelten. Heute müssen Events völlig neu gedacht werden. Eine Bühne, ein Zuschauersaal, eine Leinwand mit Beamer oder ein Stehpult reichen nicht mehr aus, um das Publikum zu fesseln. Vielmehr ist es notwendig, das Zusammenspiel von Information und Unterhaltung zu verstehen und Events als Erlebnis zu inszenieren. Der Schlüssel dafür ist Storytelling. Ein strapaziertes Wort. Aber wenn wir uns auf das Erzählen von Geschichten besinnen, dann lösen wir uns von langatmigen Produktpräsentationen auf Messen, von stundenlangen Keynotes auf Symposien oder wortreichen Paneldiskussionen auf Konferenzen. Menschen treten in den Vordergrund und heben die Marke, die Produkte, die Dienstleistungen und Services eines Unternehmens „ins Licht“.

Inwiefern haben sich die Ansprüche an Veranstaltungsinhalte mit der Pandemie verändert?

Die größte Herausforderung liegt darin, „Infotainment“ mit Leben und Energie zu füllen. Häufig wehren sich Verantwortliche aus den Kommunikations-, Marketing- oder Eventabteilungen gegen diesen oft negativ besetzten Begriff. Dabei verbindet Infotainment fast alle Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse von Besuchern real-digitaler Events. Zu allererst geht es darum, dass Veranstalter ihre Kernbotschaften neu definieren und transportieren. Schon an diesem Punkt stoßen traditionelle Konzep­te an Grenzen. Die eindimensionale Produktpräsentation, wie sie auf Messen üblich ist, oder der frontale Vortrag von einer erhabenen Bühne ziehen nicht mehr. Heute muss das Ziel einer Kampagne subtiler verpackt werden. Das Publikum verlangt nach mehr Lametta. Unterhaltung durch die Ein­bindung von Kunst, Kultur, Musik und Gewinnspielen gehört genauso dazu wie Angebote zur Interaktion und Beteiligung, zum Beispiel Chats, Apps, Umfragen oder Networking.

Kurz: Events wandeln sich in multimediale, multidimensionale und multiemotionale Erlebnisse, die das Publikum fesseln, informieren und unterhalten.

Welches sind die größten Herausforderungen beim Kuratieren von virtuellen Veranstaltungen?

Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel der Live-Kommunikation, des Marketings und Vertriebs. Dabei geht es weniger um die Frage, wie Messen, Events und Konferenzen aussehen werden, sondern vielmehr darum, wie die Virtualisierung von Unternehmen insgesamt gelingt. Die Pandemie hat zuvor unerschütterliche Verhaltensmuster dauerhaft verändert. In Zukunft müssen Marktteilnehmer nicht mehr über Ort und Zeit für Kaufentscheidungen, Wissenstransfer oder Markteintritte nachdenken. Vielmehr werden Aspekte der Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und wirtschaftlichen Effizienz Berücksichtigung finden. Auf der Suche nach neuen Optionen für den direkten Kundenkontakt werden Unternehmen daher zunehmend auf virtuelle Plattformen setzen. Sie dienen als technisches Fundament für nahezu alle Unternehmensaktivitäten, wie Marketing, Vertrieb, Recruiting, Educa­tion und mehr. Auf diesen Plattformen finden dann die „neuen“ Kuratoren ihren Raum. Sie inszenieren, kreieren und arrangieren die Inhalte – den Content – und schaffen so eine völlig neue Customer Experience. Die Herausforderung ist, dass sich unser Publikum über viele Wege dem Unternehmen und damit der Plattform oder dem Event annähert. Wir begrüßen jetzt unsere Gäste on-premise – also vor Ort – und zugleich in der Cloud – also digital. Beide Gruppen erwarten aber das gleiche Niveau der Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Würdigung. Das wird nur gelingen, wenn wir Konzepte ent­wickeln, die sowohl verbin­dende Elemente vorhalten, als auch individuelle Inszenierungen für beide Publika bieten. Ein Online-Gast braucht kein Catering. Ein Gast vor Ort verzichtet sicher gern auf das IT-Helpdesk.

Auf Ihrem Digital Campus kommen EventteilnehmerInnen virtuell zusammen. Wie schaffen Sie hier echte und nachhaltige Erlebnisse?

Die Kraft eines Events geht doch nicht deshalb verloren, weil sich der Ort der Begegnung – also die Location – ändert. Und niemand zweifelt doch das Konzept von Plattformen wie Netflix an, nur weil wir uns dafür vor einen Bildschirm setzen müssen. Ausschließlich die kuratierten Inhalte entscheiden, ob wir uns kognitiv und emotional angesprochen fühlen.

Wir bieten mit dem „Virtual Corporate Campus“ eine Plattform, die es Unternehmen ermöglicht, eine eigene virtuelle Welt individuell zu gestalten. Der Campus ist die Arena für Events, Sessions, Live-Streaming oder On-demand-Angebote, wie Videos, Fotos, Animationen, Grafiken, Whitepaper, Präsentationen, Gruppenchats oder Umfragen. Sie schaffen lebendigen Austausch, zielgerichtete Interaktion und emotionale Momente. Dabei löst sich das Event aus der Enge des Moments und wird zu einer nicht endenden, dauerhaften Experience. Im Ergebnis entstehen loyale Communities rund um die Marke, die Produkte und das Unternehmen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Moj!

Johanna Müdicken

Johanna Müdicken