Verantwortliche Gastfreundschaft

Dienstag, 08.10.2019

Leere Kunststoffflaschen und halb volle Einweg­teller, die im Abfall landen – ein Bild, das viele Ver­anstaltungen prägt. In der Branche hat ein Umdenken begonnen.

Entsorgt. Weltweit landen jedes Jahr 1,3 Mrd. t Lebensmittel im Müll. 8,3 Mrd. t Plastik sind allein zwischen 1950 und 2015 produziert worden. Die Kongressindustrie trägt ihren Teil dazu bei – und wird sich dessen zunehmend bewusst.

„Als Hafenstandort sind wir uns unserer Umweltauswirkungen und insbesondere der potenziellen Schäden, die Kunststoff für das Unterwasserleben mit sich bringt, sehrwohl bewusst“, betont Geoff Donaghy, CEO des International Convention Centre (ICC) Sydney. Dank einer Partnerschaft mit dem staatlichen Trinkwasserunternehmen Sydney Water hat das Zentrum dem Plastik den Kampf angesagt. Angeboten wird nun Leitungswasser in Glas- und Mehrweg­­be­hältern. Über eine Mio. Kunststoffflaschen konnten bereits eingespart werden.

„Abfälle aus Einweg-Kunststoff sind ein kritisches Thema für unsere Branche“, weiß auch Jeremy Rees, CEO des Exhibition Centre London (Excel). „Wir müssen zu dieser Thematik deutlich Stellung beziehen, um die Menge der von uns erzeugten Abfälle zu reduzieren.“

Anfang 2019 hat das Excel daher seine „No Plastic“-Kampagne gestartet. Das neue Projekt konzentriert sich zunächst allein auf die 27 Einzelhändler im Haus. Dort sind bisher alle Kunststoffstrohhalme abgeschafft worden. Kunden mit eigenem Becher bekommen Rabatte auf Heißgetränke wie Kaffee und Co. Neue Getränkespender in den Eingangsbereichen bieten kostenloses Trinkwasser.

Auf Einweggeschirr wird längst auch im Bella Center Kopenhagen (BCC) verzichtet. Wenn es zum Einsatz kommt, besteht es aus Bambus. Besonders engagiert sich das Kongresshaus zudem in Sachen Lebensmittelrettung. Unter anderem wird Gästen mit der „Treatbox“ eine biologisch abbaubare Doggy-Bag bereitgestellt, in der sie ihr restliches Essen mit nach Hause nehmen können. „Bei BCC engagieren wir uns stark für den Betrieb eines verantwortungsvollen und nachhal­tigen Kongresszentrums“, erklärt BC-Hospitality Managerin Mireille Jakobson. „Jeden Tag im Jahr sorgen wir für wichtige Momente, indem wir die Ergebnisse verbessern, wenn sich Menschen von Angesicht zu Angesicht treffen. Wir nennen das verantwortungsvolle Gastfreundschaft.“

Dieser fühlt sich auch das Team des österreichischen Congress Centrum Alpbach verschrieben. Plastikbecher oder -geschirr gibt es nicht mehr. Damit es im Idealfall gar nicht erst zu Resten kommt, achtet das Servicepersonal darauf, das Buffet nur nach Bedarf zu aufzufüllen. Denn ein Problem bei der Weitergabe übrig gebliebener Mahlzeiten sind für Anbieter und Caterer oftmals die gültigen Lebensmittel- und Hygiene-Regeln. Speisen, die bereits im Kontakt mit Gästen waren, dürfen prinzipiell nicht mehr weitergegeben werden. Ausnahmen und Vorgaben für die Bundesrepublik finden sich in dem veröffent­lichten „Leitfaden für die Weiter­gabe von Lebensmitteln an soziale Einrichtungen“ vom Ernährungsministerium.

In Deutschland zählt die Musik- und Kongresshalle Lübeck (MUK) zu den positivsten grünen Stätten. In diesem Jahr feiert sie zehn Jahre Nachhaltigkeit. Neben Projekten, wie dem Umrüsten auf energieeffiziente Anlagen, engagiert sich die mehrfach zerti­fizierte MUK auch im Kleinen. Foodbags sollen der Verschwendung entgegenwirken.

Hier kooperiert das Congress Center Rosengarten in Mannheim mit dem gemeinnützigen Verein Foodsharing: es werden die Lebensmittel gespendet, die bei großen Veranstaltungen übrig geblieben sind und weitergegeben werden dürfen. Das Team des World Conference Center Bonn arbeitet mit dem Broich Premium Catering zusammen. Der Caterer unterstützt die „Food Waste Initiative“. Der Maßnahmenkatalog hilft Firmen, Überschuss zu reduzieren.

Auch in Niedersachsen achtet das Team der Osnabrück­halle genau auf die Wahl seiner Partner. Seit 2010 ist die Osnabrücker Veranstaltungs- und Kongress GmbH Teilnehmerin der Initiative „Grün tagen in Osnabrück“. „Wichtig ist, dass Veranstaltungshäuser den Nachhaltigkeitsgedanken nicht nur auf der Managementebene oder unter Marketinggesichtspunkten verfolgen“, hält Geschäftsführer Jan Jansen fest.

„Es nützt wenig, öffentlichkeitswirksam ein paar Plastikstrohhalme abzuschaffen, wenn es keine vollumfängliche Nachhaltigkeitsstrategie gibt und nicht alle Beteiligten in den Häusern diese verinnerlichen.“

Johanna Müdicken