Vollflexibles Storno

Freitag, 11.10.2019

Bis zu 30.000 Gäste kamen zur Rotary International Convention in Hamburg im Juni 2019. Viel internationales Flair für die Hansestadt, ein einfaches Geschäft für die Hotels – oder?

Ansprüche. „Bei aller Liebe“, sagt Folke Sievert, „wir freuen uns, dass die Rotarier in der Stadt sind. Aber: der Vorlauf war doch tricky.“ Sievert ist Hotelier und Vorsitzender des Vereins „Promotion Pool Hamburger Hotellerie“, der 137 zahlende Mitgliedhotels vertritt. Der General Manager (GM) des Reichshofs Hamburg, bei Eröffnung 2015 das erste Curio by Hilton Europas, lässt die Zeit vor Ankunft der über 27.000 Gäste – die Zahl lässt sich nur schätzen – Revue passieren.

„Die Rotary International Convention (RIC) ist ein Event auf Champions-League- Niveau und wird Hamburg als Stadt und Meetingstandort international in den Fokus schieben“, freut sich Michael Otremba, Geschäftsführer des Hamburg Convention Bureaus (HCB). Er erwartet rund 24 Mio. Euro Einnahmen für die Wirtschaft. Da strahlt die herausgeputzte Hansestadt in den frühen Junitagen mit der Sonne um die Wette. Blaue Rotarier-Flaggen mit goldenem Rad leuchten passend maritim. Stolz tragen die „Freunde“, wie sie sich untereinander nennen, ihre Namensschilder an blauen Bändern.

Menschen jeden Alters aus etwa 180 Ländern erkennen sich, lächeln sich an, sprechen miteinander; selbst der ein oder andere Hamburger lächelt zurück und gibt sogar Antwort. Nicht selten auf die Frage, wo es denn zum Kongressort Messe gehe? Sievert überrascht das nicht, „die Beschilderung in S- und U-Bahn lässt zu wünschen übrig“. Er ist motiviert, seine To-do-Liste bis zum ersten Kongress im neuen Congress Center Hamburg (CCH) im August 2020 abzuarbeiten, gemeinsam mit den Teams von Messe Hamburg, CCH und HCB: „Die Zusammenarbeit klappt schon bestens.“

Mit Madeleine Marx, zweite Promotion-Pool-Vorsitzende und GM von The Westin Hamburg in der Elbphilharmonie, gehört Sievert zum Vorstand der Fachgruppe Hotels im Deutschen Hotel und Gaststättenverband (Dehoga) Hamburg. „Ursprünglich hat Dehoga den Promotion Pool 1976 gegründet; seit 2012 ist der Verein unabhängig“, erläutert Dehoga-Landesgeschäftsführerin Ulrike von Albedyll, die im Februar 2020 25-jähriges Jubiläum feiert: „Der Promotion Pool hat dann das HCB aus der Taufe gehoben.“

Gemeinsame Historie und Schnittstellen, die den freundlichen Rotariern, deren Motto „Serve over Self“ ist, beim Ausrichten ihrer 110. International Convention in Hamburg 2019 direkt zugutekommt. Schließlich „ist hier 1927 der erste Rotarier-Club Deutschlands gegründet worden; 1987 war die letzte Convention in München“, berichtet Messechef Bernd Aufderheide, selbst Rotarier. Zeit für eine Neuauflage, fand auch Rotarier und Host-Committee-Vorsitzender Andreas von Möller, der viel Herzblut in den Gewinn der Tagung investiert hat. Er war dann auch mit 70 deutschen Rotariern in Toronto 2018, um am Stand mit einer Elbphilharmonie- Visualisierung von Hamburg zu überzeugen.

Barry Rassin, Präsident Rotary International, unterstrich: „Als Wirtschafts- und Kulturzentrum, das Deutschland mit der Welt verbindet, ist Hamburg perfekt für die RIC“. Erwartungen, denen sich das Team von Heike Mahmoud, der neuen COO des CCH, seit ihrer Ankunft im März 2018 intensiv gewidmet hat. Schließlich will die Stadt überzeugen. Nicht wie 2007, als der Lions- Pitch für 2012 gegen Lissabon verloren ging.

Es wurde nachgebessert, um die Lions- und später auch die Rotarier Convention zu gewinnen. Marx berichtet: „Mit Pitch-Beginn 2014 konnten wir 14.000 Zimmer garantieren und der Verkehrsverband Nahverkehrs-Tickets für die registrierten Gäste.“ Aufderheide ergänzt: „Die Stadt unterstützt mit etwa 1,65 Mio. Euro. Jeder deutsche Rotarier hat mit 60 Euro solidarisch mitfinanziert.“

„Ohne die Lions 2013 wären die Rotarier nicht gekommen“, ist von Albedyll sicher. „Für eine Stadt, die auf solche Kongresse noch nicht voll ausgerichtet ist, dazu noch mit dem CCH im Bau, eine echte Heraus­forderung.“

„Tricky war das Verhandeln der Verträge mit der vom Housing-Committee beauftragten Agentur Experient“, erinnert sich dann Folke Sievert und wird konkret: „2013/14 haben wir quotiert für den Pitch. Danach sind noch Hotels dazugekommen, die nicht Teil der Abmachung waren und separat verhandelt haben“. Zwar habe es viele Meetings im Vorfeld gegeben, schlussendlich aber keinen Gesamtvertrag. Jedes Hotel habe einzeln verhandelt. „Wir hätten einen längeren Atem haben sollen, um einen Vertrag für alle auszuhandeln“, so Sievert.

Da sei umso wichtiger, da das CCH bald eröffne. Herausgekommen seien Verträge, „die doch recht knebelnd waren. Ursprünglich wollte Experient einen Tag Stornofrist, am Ende waren es dann immerhin sieben“, sagt Sievert und schüttelt leicht den Kopf. 20 Prozent hätten 14 Tage vor der RIC storniert, aber: „wir haben Glück: Hilton zieht bei Amerikanern, wir konnten alle Zimmer verkaufen“.

Von einer Klausel habe sich der Hotelier klar distanziert: „Sie wollten die Kommission selbst für jene Rotarier, die direkt gebucht haben.“ Häuser, die nicht mit der Maritz-Agentur Experient Inc. aus Ohio gearbeitet haben, waren somit Gewinner. „Ich werbe bei Kollegen, Kontingente für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen“, betont Folke Sievert, „mit solchen Verträgen wird mir das nicht erleichtert.“

Die Rekordkonferenz nicht zu gewinnen, sei jedoch auch keine Alternative gewesen. Schließlich ist es erklärtes Ziel, internationaler zu werden, ist fast unisono die Expertenmeinung von Bernd Aufderheide, Folke Sievert, Heike Mahmoud, Madeleine Marx und Ulrike von Albedyll zu „Hamburgs Achillesferse“ und dem „Wert der Reichweite“. „Wie könnten wir besser in die Welt hinausgetragen werden, als genau so?“, freut sich Marx.

Michael Otremba (HCB) unterstreicht: „Der Standort empfiehlt sich für weitere Kongresse. Die über 27.000 Gäste sind echte Multiplikatoren.“

Katrin Schmitt