Arbeitskräftemangel: Wo sind die alle hin?

Freitag, 15.07.2022

Schon vor der Corona-Pandemie waren fehlende Arbeitskräfte ein Problem für die Branche. Während der Krise haben sich viele neue Jobs gesucht. Ob sie zurückkehren, ist fraglich.

Mehr als ein Viertel aller Beschäftigten, die noch 2020 in einem Tourismus-, Hotel- oder Gaststättenberuf tätig waren, haben inzwischen die Branche verlassen. Dies geht aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hervor. Für die Erhebung wurden erstmals in umfassender Form Daten der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet.

Konkret geht es um 788.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die im Jahresdurchschnitt 2020 in den genannten Branchen gearbeitet haben. Von ihnen wechselten 215.000 in einen neuen Beruf.

Die Veranstaltungsbranche wird in der Studie nicht explizit genannt, dürfte aber mit einem Großteil der MitarbeiterInnen vertreten sein: Vor allem beim Catering fehlt es an allen Ecken und Enden. „Das fehlende Personal steht bei der Sorgenliste inzwischen vor neuen Corona-Ausbrüchen und wird nur getoppt von der Energiekrise“, heißt es von vielen Event-Agenturen und Congress-Centren.

Die Frage ist: Wo sind die früheren Mitarbeiter alle hin? Kurz und knapp lautet die Antwort: früher Gastronomie, heute Supermarkt. Früher Hotel, heute Finanzamt. Früher Veranstaltungstechniker, heute Logistikbranche.

Allein 35.000 Beschäftigte wechselten nach Angaben der Studien-Autorinnen Anika Jansen und Paula Risius in Verkaufsberufe, beispielsweise als KassiererInnen in Supermärkten oder VerkäuferInnen in Autohäusern und großen Einkaufscentren.

Rund 27.200 Menschen traten einen neuen Job im Verkehr- und Logistikbereich an, beispielsweise als LagerarbeiterIn oder Paketbote. Auch der Bereich Unternehmensführung und -organisation profitierte von Jobwechseln: Hier fingen 27.100 Menschen neu an, unter anderem in Sekretariaten. Beliebte Ziele waren zudem die Lebensmittelherstellung, Reinigungsberufe und Erziehung.

Die einzige positive Nachricht: Ohne politische Maßnahmen wie Kurzarbeit hätten deutlich mehr Menschen ihren Job in der Gastronomie, dem Tourismus und der Veranstaltungsbranche verlassen. Die negative Nachricht: Der Weg zurück in die „schönste Branche der Welt“ scheint schwer zu sein – zumal auch künftig Lockdowns drohen, die Gehälter überschaubar und die Arbeitszeiten nicht immer attraktiv sind.

Hinzu kommt: „Während der Krise dürfte für viele Beschäftigte das Thema Sicherheit noch wichtiger geworden sein“, vermutet Studienautorin Paula Risius. „Aber auch weichere Faktoren spielen eine größere Rolle, beispielsweise feste Arbeitszeiten, die sich gut mit dem Privatleben verbinden lassen.“

Damit Unternehmen in der Veranstaltungsbranche wieder mehr Arbeitskräfte finden können, müssten sie als Arbeitgeber attraktiver werden – beispielsweise mit Arbeitszeitkonten für mehr Flexibilität sorgen, neben dem Gehalt Zusatzleistungen wie ÖPNV-Tickets anbieten oder bei der Kita-Betreuung in Randzeiten helfen.

Damit allein werde sich das Problem des Fachkräftemangels jedoch nicht komplett lösen lassen, ist sich Studienautorin Risius bewusst. „Ohne weitere politische Unterstützung, beispielsweise bei der Förderung von Fachkräftezuwanderung, wird es nicht gehen.“

Mehr Informationen gibt es auf der Website des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Matthias Gürtler