Corona: „Die Weichen müssen jetzt gestellt werden“

Mittwoch, 15.06.2022

Die Pandemie, der Blick auf Herbst und Winter und die Funkstille der Bundesregierung gegenüber den Akteuren der Veranstaltungswirtschaft bereiten der Branche Sorgen.

In einer Stellungnahme hat der Corona-ExpertInnenrat der Bundesregierung den aktuellen Umgang mit dem Pandemiegeschehen erklärt. Darin heißt es, der „hohe Immunisierungsgrad“ und die derzeitige „Phase geringerer Krankheitsschwere“ erlaube es, „sich von einer strengen Infektionskontrolle abzuwenden“ – gute Nachrichten für die Live-Event-Branche. Gleichwohl bleibt eine Impflücke bestehen. Was also erwartet uns im Herbst und Winter?

Das Gremium hat hierzu drei Fallbeispiele entworfen – ein günstiges Szenario, das Basisszenario sowie ein ungünstiges Szenario. Um nicht erneut planlos in eine weitere Corona-Welle zu schlittern, sind demnach je nach Entwicklung verschiedene Maßnahmen vorgesehen. Die vollständige Stellungnahme finden Sie hier.

Für die Event-Branche sei es jetzt erforderlich, „zu erfahren, mit welchen Eindämmungsmaßnahmen sie im Worst Case rechnen“, fordert unter anderem das Forum Veranstaltungswirtschaft.

„Außerordentlich besorgt“ zeigen sich die Veranstaltungs- und Messeunternehmen darüber, „dass die Politik bisher auf kein Gesprächsersuchen der Verbände zur Erörterung von Hilfsmaßnahmen im Fall der Fälle reagiert hat.“

Sollte es im Herbst erneut zu Kapazitätseinschränkungen oder Abstandsregeln bei Veranstaltungen kommen, gebe es für die Branche keinen Rettungsschirm, heißt hierzu es in einer Pressemitteilung. 

„Nochmalige Maßnahmen, welche geplante Veranstaltungen unwirtschaftlich machen oder gar zur Absage von Veranstaltungen zwingen sollten, wird die Branche trotz aller Hilfsmaßnahmen der Vergangenheit definitiv nicht mehr verkraften“, warnt Michael Kynast vom FAMA.

Bereits jetzt laufe beispielsweise der Kartenverkauf für Kulturveranstaltungen „außerordentlich schlecht“, berichtet Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), und findet dafür verschiedene Gründe: Ihm zufolge sei das Publikum grundsätzlich abwartender geworden oder habe sein Freizeitverhalten in den Pandemiejahren geändert. Hinzu kämen die herben Preissteigerungen. Die Invasion der Ukraine durch Russland streue zusätzlich Unsicherheit, so Michow. Von einem effektiven wirtschaftlichen Neustart könne bisher nicht die Rede sein.

Die Forderungen an Berlin sind diesbezüglich klar: Die Branche benötigt dringend eine Perspektive. Dazu bedürfe es transparenter und berechenbarer Konzepte. „Eine kurzfristige Debatte mit den Wirtschaftsverbänden ist daher dringend geboten„, sagt Marcus Pohl von der Interessengemeinschaft der selbständigen Dienstleisterinnen und Dienstleister in der Veranstaltungswirtschaft e.V. (ISDV).

Die Veranstaltungswirtschaft habe in der Vergangenheit jede nachvollziehbare Maßnahme zur Eindämmung des Infektionsgeschehens – größtenteils auch mit erheblichem Kostenaufwand – unterstützt. Das werde sie auch zukünftig tun, heißt es. Auf die konkreten Vorschläge, die die Branche im „Manifest Restart“ schon im Februar 2021 formuliert hatte, habe die Bundesregierung leider bisher nicht Stellung genommen.

Das Forum Veranstaltungswirtschaft würde es daher „sehr begrüßen“, wenn die vom ExpertenInnenrat vorgeschlagene „Zentrale Koordinationsstelle der Pandemiemaßnahmen zwischen Bund und Ländern“ das Gesprächsersuchen der Veranstalterverbände annehmen würde.

Ziel des erbetenen Gesprächs sei es, gemeinsam ein bundeseinheitliches Konzept für Eindämmungsmaßnahmen im Veranstaltungsbereich zu entwickeln. „Kapazitätsbeschränkungen und Tanzverbote dürfen dabei nur das allerletzte Mittel sein, um den erforderlichen Infektionsschutz zu gewährleisten“, sagt Timo Feuerbach, Geschäftsführer des Europäischen Verband der Veranstaltungs-Centren (EVVC).

„Wir wären alle froh, wenn wir keine erneuten Hilfen benötigen. Es ist aber inakzeptabel, mit der klaren Ankündigung und Ausgestaltung erneuter Hilfsprogramme seitens der Bundesregierung so lange zu warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist“, empört sich Marcus Pohl, Vorsitzender des ISDV. „Die Weichen müssen jetzt gestellt werden“.
 

Felix Hormel