Fordern und fördern

Mittwoch, 12.06.2019

Wie können Jung und Alt vom Mentoring profitieren? Dozentin Dana Jiménez Herrera von der Hotelschule Den Haag weiß, worauf es ankommt: Grundsympathie ist fundamental.

Diana Jiménez Herrera ist Dozentin für Mentoring und Leadership an der Hotelschule Den Haag. Zudem ist sie Gründerin von Rock your Life! Mentoring in den Niederlanden, einer internationalen Non-Profit-Organisation, die sich für Bildungsgerechtigkeit einsetzt. 
Photo: Hotelschool The Hague.

CIM: Die Hotellerie kämpft um Nachwuchs und Profis: Wie ernst ist die Lage wirklich?
Dana Jiménez Herrera: Das kann ich nur bestätigen, sowohl aus Gesprächen mit Kollegen aus der Industrie als auch aus meiner eigenen Arbeit. Eine Studie unter unseren Absolventen 2016 zeigt, dass zwar mehr als die Hälfte (62 Prozent) ihre Karriere in der Hotellerie starten, jedoch nur ein Drittel (34 Prozent) langfristig dortbleibt. Die Hotelschule bietet neben einer exzellenten akademischen Ausbildung auch ein fundiertes Training von Führungsqualitäten. Das macht unsere Absolventen auch für andere Industrien sehr interessant, die vielleicht bessere Konditionen bieten.

Talente suchen heute nach sinnstiftenden, dynamischen Berufen. Sie treffen auf konservative Strukturen. Wie lässt sich eine Brücke zwischen Jung und Alt bauen?
Im Dialog auf Augenhöhe. Der Arbeitgeber muss einen Rahmen schaffen, der dies fördert und fordert. Junge Mitarbeiter wollen ernstgenommen und gehört werden. Gut strukturiere Mentoring-Programme können hier helfen. Sie stimulieren den professionellen Austausch zwischen erfahrenen Mitarbeitern und Young Professionals.

Was hat Sie motiviert, Mentorin und Dozentin zu werden?
Typisch Millenial, suchte auch ich einen sinnstiftenden, dynamischen Beruf. Da ich mir nicht sicher war, ob mein Beruf als Accountmanagerin mir dies geben konnte, habe ich ein Freiwilligenprojekt gesucht, in dem ich mich in meiner Freizeit engagieren konnte. So bin ich, damals noch in Deutschland, Mentorin bei Rock your Life! geworden. Die in der Mentorenausbildung zentralen zwischenmenschlichen Fähigkeiten haben mich schon während meines Studiums sehr interessiert. Als Mentorin konnte ich diese dann intensiv anwenden und anderen damit helfen, ihren Weg zu finden und zu gehen. Junge Menschen in diesem Prozess begleiten zu dürfen, hat mich unglaublich fasziniert und inspiriert. So bin ich Trainerin bei Rock your Life! geworden, um letztendlich Vollzeit als Dozentin im Bereich Mentoring und Leadership zu arbeiten.

Zwischen Mentor und Mentee muss Ver-trauen entstehen. Wie kann dies aufgebaut werden?
Eine gewisse Grundsympathie ist fundamental. In einem strukturierten Mentoring-Programm sollte daher ein Matching stattfinden, bei dem sowohl Mentor als auch Mentee ein Mitspracherecht haben. Professionelles Begleiten ist in der Anfangsphase besonders wichtig, um die Rollenfindung zu unterstützen. Mentoren sind manchmal übereifrig und können den Mentee damit überfordern. Zudem sollte der Mentor über gute Kommunikationsfähigkeiten (z.B. aktives Zuhören) verfügen oder darin ausgebildet werden.

Welche Herausforderungen gibt es beim Mentoring?
Jede Beziehung ist anders. Es gibt keinen exakten Fahrplan für eine Mentoring-Beziehung. Das macht es unglaublich spannend, kann aber bei den Teilnehmern auch Unsicherheiten hervorrufen, wenn eine gute Begleitung mit klaren Rahmenbedingungen fehlt. Die Erwartungen des Arbeitgebers an das Mentoring-Programm müssen deutlich formuliert und kommuniziert werden. Nur so können die individuellen Ziele des Mentoring-Paares darauf abgestimmt werden. Klare Absprachen, um sowohl Mentoren als auch Mentees in die Verantwortung zu bringen, sind essenziell. Sie sind besonders wichtig, weil Mentoring nur über einen längerfristigen Zeitraum von mindestens einem Jahr gut funktioniert, Stichwort: Vertrauen aufbauen. Von kürzeren Programmen halte ich nichts.

Stichwort „Reversed Mentoring“: Wie kann der Profi vom Junior profitieren?
Wir leben in einer spannenden Zeit, geprägt vom schnellen Wandel und technischen Innovationen. Von Mitarbeitern wird gefordert, dass sie flexibel und kreativ sind. Durch einen aktiv geförderten Austausch mit dem Junior bekommt der Profi einen frischen Blick auf bestehende Prozesse und eventuell Ideen für neue Projekte. Länder mit traditionell flachen Hierachien haben dies bereits verstanden. In den Niederlanden ist es z.B. normal, dass Praktikanten oder Junioren mit in die Managermeetings genommen und dort aufgefordert werden, ihre Meinung zu teilen. Jungen Mitarbeitern wird so signalisiert, dass sie ernstgenommen werden und können in solchen Meetings viel lernen. Das wiederum steigert das Selbstvertrauen und die Motivation.

Wie können die Organisationen der MICE-Branche auf allen Ebenen Talente finden, fördern und halten?
Das MICE-Business ist außerordentlich vielseitig, das macht es so interessant. Neue Talente haben häufig eine bestimmte Vorstellung von der Arbeit, die sie in der Branche erwartet, die nicht immer der Realität entspricht. Man ist viel unterwegs – das ist zwar aufregend, aber die langen Arbeitstage und der hohe Leistungsdruck machen es gerade Nachwuchskräften schwer, sich im beruflichen Alltag zu festigen. Eine strukturierte Begleitung ist daher elementar. Das gibt Mitarbeitern (Selbst-)Vertrauen und Sicherheit, um neue Aufgaben schnell und unabhängig zu bewältigen. Und es hat Vorteile für das Unternehmen. Man lernt die individuellen Bedürfnisse kennen und weiß dadurch, wie eine Person langfristig gebunden werden kann. Das Abklären der Erwartungshaltung von beiden Seiten ist unglaublich wichtig, gerade in einer Branche wie dieser. Transparenz, aber auch Flexibilität, sollten leitend sein.

Besten Dank für das Interview, Frau Jiménez Herrera!
 

Julie Freeman & Johanna Müdicken