Mehr als nur Spielerei

Mittwoch, 20.11.2013
Spielerische Elemente in Konferenzen sollen helfen, Teilnehmer aktiv einzubeziehen. Wie es funktionieren kann, erklärt Soziologe und Berater Ibo Mazari. Ein Gastbeitrag. Digitale Schnitzeljagd. Zu Ihrer Veranstaltung kündigen sich hunderte Teilnehmer an. Wie gelingt es, die Anwesenden dazu zu bringen, sich stärker zu beteiligen? Vielleicht hilft es, mit mobilen Geräten, Social Networks und etwas Gamification aus […]

Spielerische Elemente in Konferenzen sollen helfen, Teilnehmer aktiv einzubeziehen. Wie es funktionieren kann, erklärt Soziologe und Berater Ibo Mazari. Ein Gastbeitrag.

Digitale Schnitzeljagd. Zu Ihrer Veranstaltung kündigen sich hunderte Teilnehmer an. Wie gelingt es, die Anwesenden dazu zu bringen, sich stärker zu beteiligen? Vielleicht hilft es, mit mobilen Geräten, Social Networks und etwas Gamification aus der Konferenz eine digitale Schnitzeljagd zu machen. Diese Verwandlung ist kein Hexenwerk, sondern ein derzeitiger Trend im Marketing und in der Kommunikation.

So hat Dell bereits 2011 für seine IT-Fachkonferenz Dell World eine App entwickeln lassen, mit der man wie bei Foursquare Badges erwerben und Informationen austauschen konnte. Ziel war es, die Motivation zum Austausch zwischen den Teilnehmern zu steigern. Beispiele gibt es viele: Die Teamgeist GmbH schickt Gruppen während Events mit Tablets auf digitale Schnitzeljagd und Eventmobi reichert seine Veranstaltungs- Apps immer öfter mit Game-Elementen an.

Gamification ist ein Trend im Marketing. Es ist ein Buzz-Word und wird oft belächelt, etwa beim letzten Kompetenzgruppentreffen Games des Internetverbands eco, bei dem Jörg Müller-Lietzkow Gamification als Marketing- Erfindung bezeichnete. 

Es bedeutet zunächst nichts weiter als die Ausgestaltung von Prozessen mit spielerischen Elementen, um die Motivation zu steigern. Das kann Marketing sein, aber auch die Anreicherung von Arbeits-, Lern- und Verkaufsprozessen. Spielelemente sind Levels, Badges, Punkte, Wettbewerb, Knobeln, steigende Schwierigkeitsgrade und die Einbettung in eine Erzählung.

Stellt sich die Frage, ob alle Prozesse für eine spielerische Herangehensweise geeignet sind: denn Spielen kann eben auch Frust, Niederlage und Aufgeben bedeuten. Und erst das macht es zur Herausforderung. Marketing will aber den Kunden leicht erreichen und unterfordert daher oft die Intelligenz der Nutzer. Soziologe und Netnograph Klaus Jankowitz hebt besonders den Punkt hervor, dass Gamification nur einzelne Elemente nutzt, statt ganz aufs Spielen zu setzen, etwa wie Serious Games das tun.

Zudem sind viele Dinge banal. Belohnungen wie Gutscheine und Treuepunkte gibt es seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten. Und Akkordarbeit bleibt Zwang, auch wenn sie wie ein Wettrennen gestaltet wird. Denn Spielen beinhaltet in den klassischen Spieltheorien als wichtigste Elemente die Freiwilligkeit und Selbstbestimmung sowie das „als-ob“ als Experimentierfeld jenseits realer Zumutungen und Zwänge. 

Verletzt man diese Grundsätze, nimmt man dem Spiel seine Unschuld und ist eher zynisch. Andererseits bietet Gamification eine gute Möglichkeit, darüber nachzudenken, was Spiele leisten in der Motivation und in der Entwicklung von Kompetenzen. 

Marketingunternehmen und Berater rufen ein neues Zeitalter aus, das Marktforschungsunternehmen Gartner prognostiziert gar, dass 2015 mehr als 50 Prozent aller Organisationen ihre Prozesse gamifizieren werden. Was will man erreichen, wenn man Prozesse mit Spielelementen anreichert?

Ziel ist es, zu motivieren, den inneren Schweinehund zu überwinden und das spielerische Bedürfnis des Menschen zu befriedigen. Das gelingt nur bei Prozessen, die keinen Zwang erfordern. Denn Spielen bedeutet Freiwilligkeit. Diese könnte man auch anders nutzen, etwa beim Sport, Schreiben von Rezensionen, Besuch einer Webseite, Kauf von Dingen, Ehrenamt oder bei Umfragen. 

Dabei kann man auch viel falsch machen. Denn aus der Psychologie weiß man, dass intrinsische Motivation viel wichtiger und wirksamer ist als extrinsisch geschaffene. Weshalb es oft kontraproduktiv ist, jemanden für eine Tätigkeit ausschließlich damit zu locken, indem man ihn belohnt oder bezahlt, weil sich so die Motivation externalisiert und an der Belohnung festmacht. 

Der Markt für Spiele ist riesig. Die weltweit größte Computerspielmesse gamescom, die im August in der Kölnmesse stattfand, zog dieses Jahr 340.000 Besucher an. 2012 spielte fast jeder dritte Deutsche regelmäßig. Eine Steilvorlage für Meetings, denn spielerisch lernt es sich leichter.  

Schließen möchte ich mit einigen Beispielen aus einem vermeintlich angestaubten Umfeld: Museen setzen heute schon erlebnispädagogische Elemente ein, wie das San Francisco Museum of Modern Art, das auf Gamification in der Kundenansprache und im Ausstellungskonzept setzt. Auch spannend: die besonders gelungene Umsetzung für das New Yorker Metropolitan Museum of Art in Form eines Krimispiels. Und die New Yorker Stadtbibliothek hat „Find the Future: The Game“ entwickelt, das wie eine Schnitzeljagd den Spieler auf die Suche schickt, um Infos zu besorgen. Mutig? Nein. Eine Idee für Konferenzen? Ja. 

www.digitale-spielwiese.org, www.dimedis.de, http://games.eco.de

 

 

Gastautor Ibo Mazari ist Soziologe, Psychologe und als PR-Berater mit Schwerpunkt Digitales für dimedis tätig. Er lehrt zum Thema PR und Games an der Ruhr-Universität Bochum und betreibt den Blog www.digitalespielwiese. org. Zudem ist er Leiter der Kompetenzgruppe Games beim Internetverband eco.