Ohne Wertschätzung geht nichts

Dienstag, 28.03.2023

Ein anständiges Gehalt ist die Basis für zufriedene MitarbeiterInnen, aber längst nicht alles. Mindestens genauso wichtig ist ein wertschätzender Umgang am Arbeitsplatz. In unserer aktuellen Ausgabe haben wir vier Unternehmen aus der MICE-Branche gefragt, wie sie es schaffen, ihr Personal dauerhaft an sich zu binden.

Personalmangel. Ohne dieses Wort ist in den letzten Monaten und Jahren keine Veranstaltung ausgekommen, die sich mit den größten Problemen der MICE-Branche befasst hat. Die Corona-Pandemie hat bei vielen Unternehmen die Sense angesetzt, sehr viele Events fielen aus, die MitarbeiterInnen orientierten sich um. Und viele von ihnen kehrten nicht zurück.

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Und das Problem wird in den nächsten Jahren nicht kleiner: Wie eine aktuelle Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln aus dem Januar 2023 zeigt, werden in Deutschland bis zum Jahr 2026 weitere 71.000 Beschäftigte in der Branche gebraucht. Wo die alle herkommen sollen: unklar.

Dennoch gibt es auch etliche Unternehmen aus der MICE-Branche, die es geschafft haben, ihr Personal dauerhaft an sich zu binden. Das Zauberwort heißt Wertschätzung, und bei dieser geht es auch, aber nicht nur ums Geld.

Beim Tagungszentrum und Hotel Schloss Hohenkammer nördlich von München scheint man ziemlich viel richtig zu machen. So zeichnete die Deutsche Hotel Akademie in Bonn das Mitarbeiterkonzept des Unternehmens im vergangenen Herbst mit dem ersten Platz bei HR-Awards im Bereich Privathotellerie im gesamten DACH-Raum aus. Das Azubi-Konzept schaffte es auf Rang zwei.

Und siehe da: Nach Aussage von Geschäftsführer Martin Kirsch gab es in den vergangenen Jahren nur eine sehr geringe Fluktuation beim Personal.

„Dass Geld nicht alles ist, ist ein schöner Satz“, sagt Kirsch. „Der trifft auf mich zu und ich genieße die Vorzüge meiner Freiheiten als Chef. Für die MitarbeiterInnen im Niedriglohnsegment wie einfache Putz- und Servicekräfte oder Küchenhilfen, die in unserer Branche einen Großteil des Personals ausmachen, sieht das jedoch anders aus. Da ist die kostenfreie Nutzungsmöglichkeit des Fitnessraums zwar nett, viel wichtiger ist jedoch das Grundgehalt.“

Deshalb werden beim Schloss Hohenkammer alle Angestellten über Tarif bezahlt und erhalten zudem einen Zuschlag für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit, ein 13. Monatsgehalt, umfangreiche Sozialleistungen und ein Jobticket. Mindestens ebenso wichtig ist die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Individuelle Fortbildungen, abteilungsinterne Weiterbildungsmaßnahmen und die „Schloss Hohenkammer Azubi Akademie“ fördern jeden, der möchte, nach seinen individuellen Fähigkeiten.

Die in der Hotellerie üblichen langen Arbeitszeiten und Wochenenddienste gibt es beim Schloss Hohenkammer natürlich auch. Um das Personal dauerhaft bei der Stange zu halten, sei es laut Kirsch unabdingbar, Verbindlichkeit und Sicherheit zu schaffen.

All dies führt dazu, dass das Schreckgespenst Personalmangel Schlosshotel Hohenkammer nicht umgeht. „Offene Stellen können wir in der Regel nach ein bis zwei Monaten nachbesetzen“, bilanziert Geschäftsführer Kirsch.

Die Kongress- und Eventagentur m:con – mannheim:congress GmbH hat nach Aussage von Geschäftsführer Bastian Fiedler während der Corona-Zeit „den einen oder die andere MitarbeiterIn an einen anderen Wirtschaftszweig verloren – und nicht alle sind wieder in unsere Branche zurückgekommen “. Die größte Fluktuation in dem aktuell 120 Personen starken Team habe es in der Technik, der IT und in den kaufmännischen Bereichen gegeben.

Der Artikel zum Thema Wertschätzung am Arbeitsplatz ist
zweisprachig in der Ausgabe CIM 1/2023 digital erschienen.

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Ähnliches berichtet Personalleiter Jörn Bachmann von der Messe und Congress Bremen. Zum Unternehmen gehören auch die ÖVB-Arena und der Betrieb des Großmarkts, verschiedener Wochenmärkte und des Bremer Ratskellers inklusive Weinhandel und Tourismusveranstaltungen. In allen Bereichen sind einschließlich der saisonalen Aushilfen etwa 240 MitarbeiterInnen beschäftigt.

„Wir spüren den Big Quit – zum Teil haben MitarbeiterInnen gekündigt, ohne etwas Neues zu haben, oder sind sogar ausgewandert“, so Bachmann. „Selbstverwirklichung ist ein großes Thema, das wir im Blick haben und auf das wir reagieren.“

Sowohl in Bremen als auch in Mannheim setzt man auf flexible Arbeitszeiten, Mobile Office sowie fachliche und persönliche Weiterbildung, um den MitarbeiterInnen die Zukunft im eigenen Unternehmen schmackhaft zu machen. Weitere „Goodies“ betreffen die körperliche und mentale Gesundheit. Bei der m:con in Mannheim werden beispielsweise Vorsorge-Check-ups, eine aktive Yoga-Pause und eine vergünstigte Mitgliedschaft im Fitnessstudio angeboten, in Bremen gehören zum betrieblichen Gesundheits-Management unter anderem Sportangebote und eine individuelle Sozialberatung, an die man sich in einem geschützten Raum in schwierigen Lebenslagen wenden kann.

Ein kleines Team hat Jens Ihsen, Director Düsseldorf Convention, um sich geschart. Insgesamt sechs Personen plus ein Trainee unterstützen Unternehmen bei der Planung und Organisation von Events in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Das Team ist sehr beständig zusammen, was wohl auch an den guten Rahmenbedingungen liegt: Unbefristete Arbeitsverträge, betriebliche Krankenzusatzversicherung und ein Nahverkehrsticket sind dabei die Hardware, eine laut Ihsen „offene Lernkultur“, selbstbestimmtes Arbeiten, regelmäßige Workshops sowie gemeinsame Erlebnisse abseits der Arbeit die Soft Skills.

Ihsen ist überzeugt, dass man das Problem des Fachkräftemangels nur beheben kann, wenn man die Wertschätzung aller Beteiligter vor die Wertschöpfung stellt. „Gerade für die junge Generation ist es spannend, vieles zu erleben, zu reisen und selbstbestimmt zu arbeiten. Statusdenken ist hier weniger gefragt.“

Susanne Layh