Polen: Tagen an der Weichsel

Mittwoch, 21.09.2022

Die MICE-Destination Warschau wartet mit neuen Attraktionen und einer hochprofessionellen Infrastruktur auf. Der Krieg im Nachbarland Ukraine schreckt dennoch etliche Kunden ab, vor allem solche aus Übersee.

Warschau präsentiert sich mit seiner Mischung aus Altbauten und Hochhaus-Kulisse hip, modern und grün. Vor allem lockt die Stadt mit neuen Highlights. 

Eine davon ist die Weichselpromenade. Bar- und Partyschiffe locken an dem fast sechs Kilometer langen Boulevard mit vielen Sitzgelegenheiten. „Anders als sonst in Polen ist hier der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit nicht verboten“, berichtet Stadtführer Antoni Wladika.

Herzstück ist die Seejungfern-Statue am Kopernikus-Planetarium. „Syrenka“ soll der Legende nach einen Fischer geheiratet, mit ihm eine Familie und Warschau gegründet haben. Jogger, Radler und Inlineskater passieren unter einer Brücke Klettergerüste und Fitnessgeräte. Der multimediale Springbrunnen-Park an der Weichselpromenade eignet sich ebenso für Events wie der weitläufige Garten des wieder errichteten Königsschlosses. Alternativ steht mit der „Fisherman“ nun auch ein großes Event-Schiff zur Verfügung.

Noch mehr Grün als im Schlossgarten wächst auf dem Dach der mit grünem Glas und Sonnenkollektoren gebauten Bibliothek der Universität am Wisla-Ufer. Landschaftsarchitektin Irena Bajerska hat dort einen der größten Dachgärten Europas mit spektakulärer Aussicht auf die Sandstrände am gegenüberliegenden Ufer gestaltet.

„Ein Fünftel Warschaus ist grün“, schwärmt Aneta Ksiazek, Leiterin des Convention Bureaus (CB) der Polnischen Tourismusorganisation. Ihr Team konnte auf der IMEX in Frankfurt nicht nur Polens Comeback, sondern auch 20 Jahre CB feiern. „Putins Krieg hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber wir arbeiten professionell weiter. Polen ist ein Hilfs-, kein Kriegsgebiet, bei uns läuft alles normal und pünktlich“, betont Ksiazek. Mit 158 Meetings habe sich die Republik in der ICCA-Rangliste 2022 auf Platz 18 verbessert. Das zeuge von „einer sehr stabilen Situation.“

Dennoch spricht die CB-Chefin Probleme offen an: „Deutsche Planer fürchten sich, Polen in ihr Angebot aufzunehmen und die Überseemärkte kollabieren, sobald in Europa etwas passiert.“ Einen Wendepunkt markiere der 61. ICCA-Kongress vom 6. bis 9. November 2022 in Krakau. „Anmeldungen sind jetzt möglich. Kommt zum ICCA-Kongress, um die Ukraine zu unterstützen“, wirbt Ksiazek unter Verweis auf den Hilfsfonds pro Quadratmeter Standfläche. Ferner ist ein Host-Programm für junge ukrainische Führungskräfte vorgesehen.

Im Inland unterstützt die Tourismusorganisation das MICE-Geschäft, etwa mit der Warschauer ERA-Event-Konferenz im Juni sowie einem #DiscoverPoland-Fam-Trip nach Thorn und Bydgoszcz. Einen stärkeren Erfahrungsaustausch von Agenturen und Kunden nennt Ksiazek als Ziel. Jüngstes Event war ein Polen-Spotlight mit 20 Hosted Buyern aus ganz Europa.

Auch Direktorin Marta Kicler von der Warschauer Zielgebietsagentur Mazurkas Travel bedauert, dass Polen wegen seiner Nähe zur Ukraine in den USA „auf der schwarzen Liste gelandet ist“. Seit 32 Jahren ist Mazurkas Travel mit großem deutschem Partner, Kongressabteilung, eigenem Transportunternehmen und Reisebüro erfolgreich.

Gegenwärtig bestimmten vor allem kurzfristig gebuchte Firmen-Events und wenige Incentives das Geschäft. Für Tagungsgäste organisiert die Direktorin in der als Food Court wiedererrichteten Jugendstil-Markthalle Hala Koszyki gerne „Essen wie die Einheimischen“ mit der Gelegenheit, interessante Menschen aus Polen zu treffen.

Eine attraktive Alternative sei das Ex-Kraftwerk Elektrownia Powile, das fast 100 Jahre lang Warschau mit Energie versorgte. In seinen revitalisierten Kessel- und Maschinenräumen an der Weichsel locken inzwischen viele Restaurants.

Als herausragende Event-Location lobt Marta Kicler die Aula der Technischen Universität Warschau mit vier Stockwerken unterm Glasdach mit dem großen Stern von 1901. Mit herausragender Akustik wirke sie wie ein Theater.

Im Nationalstadion mit seinen 58.000 Sitzplätzen und 3.200 Quadratmetern Veranstaltungsfläche fand 2013 der Weltklima-Gipfel COP 19 statt, gefolgt vom Nato-Gipfel im Jahr 2016. Besonders beliebt bei Kunden aus Deutschland ist das Sheraton Grand Warsaw mit dem Sejm und der deutschen Botschaft gleich um die Ecke.

Mit „sehr gutem“ Preis-Leistungs-Verhältnis glänzten Polens Hotels im internationalen Vergleich, betont Aneta Ksiazek vom Convention Bureau. In der Nähe ihres Büros ragen die 40 Etagen des bereits 1988 gebauten Fünf-Sterne-Hotels Marriott auf. Die zweistöckige Sky Bar ganz oben kann exklusiv gemietet werden. Der Konferenzbereich mit Raucherterrasse befindet sich im zweiten und dritten Stock. Sales-Managerin Wiktoria Cisowska offeriert 25 Räume mit 1.744 Quadratmetern sowie 521 Zimmer.

„Neue Hotels bauen nicht mehr so“, präsentiert Aleksandra Makowska das helle Hilton Warsaw City. Trotz Pool und „aller Services“, begnüge sich das 314-Zimmer-Haus mit Rücksicht auf den Pharma-Code mit vier Sternen. Sein fünffach teilbarer Saal ist mit 1.400 Quadratmetern der größte.

Die über 500 Quadratmeter Tagungsfläche im vor 20 Jahren eröffneten, komplett renovierten Radisson Collection mit 309 Zimmern und wiederum einem Stern mehr sind voll gebucht.

Mit dem 206-Zimmer-Jugendstil-Hotel Bristol, 1901 vom Premierminister und Pianisten Ignacy Jan Paderewski gegründet, präsentiert Milena Sowala einen Favoriten. Hingucker sind das Bristol Café, die Säulen-Bar und die von Wagner-Sohn Otto gestaltete Lobby. Gravierte Türknäufe erinnern an Gäste wie Madeleine Albright, Angela Merkel oder Margaret Thatcher. Der Tagungssaal „Chopin“ ist mit 140 Quadratmetern der größte von acht Räumen. Polens teuerstes Hotel ist das kleine Raffles Europejski. Es verfügt über lediglich 106 Zimmer.

Christian Boergen