Sicher und sichtbar bleiben

Mittwoch, 19.05.2021

Während die Politik um effiziente Strategien zur Beendigung der Pandemie ringt, feilt die Ver­an­staltungswirtschaft an stringenten Kampagnen zum Restart analoger Meeting-Kultur.

Perspektive. Mit einer Fülle von Taktiken auf kurzfristige Entwicklungen zu reagieren, sei keine Strategie, sagt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler am 29. März 2021 in der TV-Sendung „Hart aber Fair“. Vorsorge sei die zentrale Herausforderung, die ein auf „Trial & Error“-Kurs fahrendes Corona-Management nicht leisten könne. Der Ausnahmezustand im Umgang mit der Pandemie verlange ein permanentes Lernen. Eine Rückkehr zu Verhältnissen wie vor der Pandemie hält der Berliner Wissenschaftler derzeit für unwahrscheinlich.

Auf dem besten Weg dorthin sind dank ihrer strikten „No Covid“-Strategie jedoch bereits Australien, Neuseeland und Südkorea. Schnelles Handeln, Abschottung und Segmentierung der Länder in grüne Zonen ermöglichen jetzt die Rückkehr zu Normalität und Planbarkeit. Das Bruttoinlandsprodukt liegt nur 1,2 Prozent unter dem des Vorjahresvergleichszeitraums. Die zehn wirtschaftsstärksten Nationen der Welt verzeichnen hingegen ein Minus von 3,3 Prozent. Die aktuelle Studie des französischen Institut Economique Molinari resümiert, dass eine No Covid-Strategie effizienter ist als die in Europa derzeit angewandte Taktik einer Pandemie-Eindämmung. Zu den interdisziplinären Experten der Initiative #NoCovid zählen namhafte Virologen sowie Ifo-Institutsleiter Clemens Fuest.

Analoge Business Events stehen in der Asien-Pazifik-Region bereits seit März wieder auf der Agenda. In Australien, wo der Staat 50 Mio. AUS-Dollar (33 Mio. Euro) in den Restart der MICE-Industrie investiert hat, beziffert The Business Events Council of Australia die pandemiebedingten Verluste für Australiens Wirtschaft mit 35,7 Mrd. AUS-Dollar (22,8 Mrd. Euro). Während in Queensland ein neues National Business Events-Programm der Branche auf die Beine hilft, hat das 2021 sein 25-jähriges Bestehen feiernde Melbourne Convention Exhibition Centre (MCEC) seit März 2021 wieder Messen mit bis zu 5.000 Delegierten zu Gast.

Neben Taiwan, das sich der weltweit niedrigsten Inzidenz rühmen kann, punktet Korea mit positiver Pandemie-Bilanz. Das Seoul Convention Bureau positioniert sich mit neuen Allianzen. Die Seoul MICE Alliance mit 18 neuen Mitgliedern stärkt den Standort ebenso wie der Beitritt zur Hybrid City Alliance. Der strategische Schritt ermöglicht es Seoul, als erste Stadt Asiens mit Genf, Prag, Ottawa, Den Haag und Durban gemeinsam an hybriden Meeting-Formaten zu arbeiten.

Zur Wiederbelebung des Geschäftsreisesegments hat Singapur die SingapoReimagine-Initiative ins Leben gerufen. Im März haben sich 700 Teilnehmende bei der „SingapoReimagine MICE Virtual Show“ über attraktive Event-Angebote informiert.

Eine Strategie mit Biss konzertiert zu adressieren, ist die Voraussetzung für den Neustart der Veranstaltungswirtschaft in Deutschland. Die Initiative #AlarmstufeRot und der FAMAB Kommunikationsverband haben die Branche sichtbar gemacht und bei einem Wirtschaftsgipfel in Berlin die Aussicht auf eine Überbrückungshilfe IV bis Jahresende erwirkt. Vehement appelliert auch AUMA-Geschäftsführer Jörn Holtmeier an die Politik, „die hohe Bedeutung der Messen für die deutsche und internationale Wirtschaft nicht aufs Spiel zu setzen“ (siehe auch Interview S. 50).

„Die aktuell gute Wahrnehmung der Veranstaltungsbranche als Ökosystem in Politik und Öffentlichkeit müssen wir auch nach der Krise aufrechterhalten, um unsere Häuser auch im Gesamtprozess der Stadtentwicklungen positionieren zu können“, fordert Ilona Jarabek. Es sei unerlässlich, „mit einer Stimme“ zu sprechen, betont die Präsidentin des Europäischen Verbands der Veranstaltungs-Centren (EVVC). „Das Forum Veranstaltungswirtschaft bietet uns eine exzellente Ausgangsposition. Verlässliches Zahlenmaterial für die Branche zu generieren, ist unabdingbar. Neben dem Meeting- & EventBarometer gehen wir mit der Aktion ‘Zähl dazu‘ hier einen wichtigen Schritt nach vorne“, so Jarabek.

Sichtbarkeit mit gezielten Marketingstrategien zu erzeugen, ist gerade jetzt das Anliegen der Destinationen. Sie werben für ihren Standort, aber auch um Vertrauen in eine Branche, in der persönliche Begegnung Teil des Geschäftsmodells ist.

Mit dem Ziel, den Geschäftsreisetourismus von Mainz, Trier, Koblenz, Ludwigshafen, Kaiserslautern und Worms wieder zu stärken und das professionelle Angebot der Städte gemeinsam zu positionieren, wird jetzt das Convention Bureau Rheinland-Pfalz gegründet. Für das Kundenmanagement und individuelle Veranstaltungsplanungen entsteht eine digitale Plattform, wobei Zusammenarbeit und Wissenstransfer mit den starken Wirtschaftsunternehmen aus den Sektoren Pharma, Chemie, Automobil und Forschung/Lehre ein wichtiger Baustein sind. Sitz des Büros ist die Landeshauptstadt Mainz. Initiator des Convention Bureaus ist August Moderer, Geschäftsführer der mainzplus Citymarketing, der Rheinland-Pfalz aufgrund guter geographischer Lage und professioneller MICE-Angebote in den Städten enormes Potenzial attestiert. In Mainz kommt neben der 2020 lancierten Restart-Kampagne „Genau Mainz“ auch die Initiative „Mainz startet durch 2021“ zum Einsatz.

In Köln begegnet man dem dramatischen Rückgang bei Hotelübernachtungen mit der Recovery-Kampagne #inKöllezuHus, welche die speziell auf den MICE-Markt zugeschnittene Initiative „Cologne. Ready when you are“ flankiert. Der Geschäftsführer der KölnTourismus GmbH Dr. Jürgen Amann hat beim Europäischen Institut für Tagungswirtschaft (EITW) zudem eine Studie zur Erholung des Kölner MICE-Marktes in Auftrag gegeben, die Ansatzpunkte für die Akquise identifizieren soll.

Auch in Bayerns Metropole München geht das Kongressbüro mit einer neuen Kommunikationsstrategie in die Offensive. In Anlehnung an den erfolgreichen Hashtag #simplymunich wurden fünf thematische Säulen zu aktuellen Themen formuliert, die unter Einbeziehung aller lokalen Partner vor Ort für Kunden nach dem Baukastenprinzip beliebig kombinierbar sind. Ähnlich ist die Strategie in Dresden, wo unter Federführung der Dresden Marketing-Geschäftsführerin Corinne Miseer eine Drei-Säulen-Strategie für den erfolgreichen Restart sorgen soll. „#Dresden Convention – Meetings. Moments. Memories“ lautet der neue Kampagnen-Slogan für das MICE-Segment.