Um Talente kämpfen

Dienstag, 04.06.2019

Der Fachkräftemangel trifft auch die Eventbranche. Arbeitgeber, die langfristig Mitarbeiter gewinnen möchten, müssen auch deren Ansprüchen gerecht werden.

Photo: Connecticum 2018 Berlin

Nachwuchssorgen. Die Suche nach neuen Talenten bestimmt branchenübergreifend den Dialog. Besonders stark vom Fach‧kräftemangel betroffen sind der Gesundheits- und Pflegesektor sowie die sogenannten MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Aufgrund des demografischen Wandels wird die Zahl der verfügbaren Kräfte noch weiter sinken.

Der Arbeitsmarkt wird so zum Arbeitnehmermarkt, dem Unternehmen oftmals wenige wirkungsvolle Ideen entgegenbringen. Tradierte Personalsuche läuft somit häufig ausschließlich über die eigene Karrierewebseite oder externe Online-Börsen. Doch auch Social-Media-Kanäle bieten neue Wege, Nachwuchskräfte anzusprechen. Ein frischer Ansatz im Recruiting lautet „Candidate Experience Management“. Dabei wird der Job zum Produkt und der Bewerber zum Kunden. Dieser soll jeden Kontakt – von der Stellenausschreibung bis zum persönlichen Gespräch – positiv erleben. Das Kommunizieren von Talentfördermaßnahmen hilft dabei, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.

Das Abheben von Mitbewerbern ist beim Präsentieren auf Karrieremessen wie Connecticum oder dem Absolventenkongress gefragt. Neben finanziellen Anreizen punkten Unternehmen langfristig mit Personalentwicklung, flexiblen Arbeitszeiten und einer wertschätzenden Unternehmenskultur. Im Wettbewerb kommt es eben nicht bloß darauf an, Talente zu finden, sondern sie auch zu halten.
Die PwC-Studie „Millennials at work“ macht deutlich, worauf es der jüngeren Generation im Berufsleben ankommt: Persönliche Entwicklung und ausgewogene Work-Life-Balance haben den höchsten Stellenwert. Noch vor finanziellen Boni wünschen sich Nachwuchstalente flexible Arbeitszeiten. Der klassische „9-to-5“-Job wird durch Gleitzeit und Home-Office-Optionen ersetzt. Diversität spielt in der Unternehmenskultur ebenso eine große Rolle.

„New Work“ bezeichnet diesen Wandel der Arbeitswelt. Im Fokus: das persönliche Entfalten. Heutige Start-ups sind Sinnbild dieser Mentalität. Sie gelten als besonders begehrte Arbeitgeber für Millennials. Davon profitieren auch die Start-ups der MICE-Branche. Denn auch hier wird oft händeringend nach qualifiziertem Nachwuchs gesucht. „Im Zeichen der Vollbeschäftigung sind die Young Talents ein Riesenthema über alle Bereiche hinweg“, bestätigt Timo Feuerbach, Geschäftsführer des Europäischen Verbandes der Veranstaltungs-Centren (EVVC). „Da tobt ein Kampf um die besten Köpfe.“

Faktoren wie hohe Arbeitsbelastung und veränderte Lebens- und Karrieremodelle sind Gründe für diesen Fachkräftemangel. Das ergibt eine kürzlich veröffentlichte Studie der TU Chemnitz und des Studieninstituts für Kommunikation. Hohe Leistungsanforderungen spielen ebenso eine Rolle. Bewerber müssen fit sein für die Digitalisierung, crossmediale Kommunikation und die allgemeinen Herausforderungen der Internationalisierung.

Dass es der Branche nicht explizit an Spezialwissen fehlt, erläutert Michael Hosang, Geschäftsführer des Studieninstituts für Kommunikation. Vielmehr bestehen Wissens- und Erfahrungslücken auf strategisch-konzeptioneller Ebene: „Komplexe Kundenanforderungen bedürfen mehr und mehr koordinierender Fähigkeiten und Führungsstärke. Hier fehlt es gemeinhin an Kompetenz.“ Zudem reiche das Fachwissen von Hochschulabsolventen für die Praxis nicht aus, „sie werden von vielen Arbeitgebern als ,Event-Theoretiker‘ abgelehnt.“

Um Fachwissen aktiv aufzubauen, müssen Arbeitgeber der MICE-Branche neue und langjährige Mitarbeiter gleichermaßen fördern. Unterstützt werden sie von Projekten wie der Ausbildungsinitiative „100pro“ des EVVC, AUMA, VPLT und Famab. Sie soll die Ausbildungsqualität des jeweiligen Veranstaltungsbetriebs sichtbar machen.
Berufsbegleitende Weiterbildungen bieten auch Fachkräften die Chance, sich neben dem Job weiter zu qualifizieren. Die Internationale Event- & Congress-Akademie (IECA) beispielsweise bietet der Event-Branche entsprechende IHK-geprüfte, berufsbegleitende Lehrgänge und Seminare an.

Mentoring ist zweitwichtigstes Instrument zum Fördern und Binden von Mitarbeitern, konstatiert ein Whitepaper der Personal‧beratung Robert Walters. Dabei gibt eine erfahrene Person (Mentor) ihr fachliches Wissen an eine unerfahrenere Person (Mentee) weiter. Vom Austausch können somit nicht nur Young Professionals, sondern auch erfahrene Mitarbeiter profitieren. Letztere frischen beispielsweise ihr digitales Wissen auf. So kann der Mentee zum Mentor werden. Unternehmen, wie Lufthansa oder die Telekom, setzen bereits auf dieses „Reverse Mentoring“.

„Mentoring ist meines Erachtens ein sehr guter Weg, um Talente zu fördern und Identifikation mit einer Firma herzustellen“, betont Bastian Fiedler, Geschäftsführer von mannheim:congress (m:con). Er kennt die positiven Synergie-Effekte aus eigener Erfahrung. Nach einem Praktikum bei m:con startete er 2004 als Assistent der Geschäftsleitung. „Michel Maugé, der damalige Geschäftsführer, hat mir durch dieses Angebot viele Türen geöffnet und meinen beruflichen Werdegang nachhaltig gefördert.“

Die Kontakte in die Branche, die Fiedler während des achtjährigen Mentorings aufbauen konnte, begleiten und nutzen ihm noch heute. Nicht zuletzt unterstützt m:con mit der „Aufstiegshelfer-Initiative“ von „Anpfiff ins Leben“ Jugendliche in der Berufsorientierungsphase. Fiedler unterstreicht, dass das Mentoring in der ganzheitlichen Personalbeschaffungs-Strategie künftig eine noch größere Rolle spielen soll.